Schon früh war ich auf den Beinen und dachte den sonnenaufgang im Steinkreis zu erleben. Doch es öffnete sich kein Weg. Ich fand die Abzweigung nicht, das GPS war widersprüchlich und so wurde aus meiner Steinkreismeditation eine Gehmeditation bis zum Frühstück. Das ließ ich mir nicht entgehen.
Nach dem Frühstück entschied ich mich gegen die Wanderung. Wer nicht will, der hat schon und half beim Marmelademachen. Das hatte den Nebeneffekt, dass Meisterkoch Pan mit in die Geheimnisse echten Saitans und guter Brauner Soße einweihte. Ich benutze die Zeit bis zum Mittagessen, um die Rückreise zu planen, Wäsche unter der Dusche zu waschen und ein paar Telefongespräche zu führen. „Wasser tragen und Holz holen.“, wie man im Zen so sagt. Das Mittagessen und die Zeit im Cafe brachte ich mit relativ interessanten Gesprächen zu, was dazu führte, dass ich dem nassen Element in seiner wilden Form untreu blieb und nicht in den See hüfte, aber da waren sie ja mit Singen beschäftig.
Es hätte ein ruhiger Nachmittag werden können. Ich hätte nur verweigern müssen. Aber ich ging hin. Stellt Euch vor es wäre Forum und keiner ginge hin. Wie entspannt das doch wäre…
Triffst Du den Dieter auf Deinem Weg, erschlage ihn, um ein altes Sprichwort aus dem Zen abzuwandeln. Dem charismatischen alten Herrn, will man doch nichts zu Leide tun, oder doch?
Im Forum gab es Prügel. Nicht für Dieter, der ja aus Krankheitsgründen revolutionsunfähig zu Hause blieb, sondern für das Projekt ganz allgemein.
Das griechische Wort „Apokalypse“ bezeichnet dem Sinn nach das Hinfortnehmen eines die Wahrheit verdeckenden Schleiers. Mehr nicht und weniger nicht. Es war also Zeit für Offenbarung, auch wenn hier Johannes keine Rolle spielte und auch sonst alles eher unspektakulär von statten ging.
Die Hauptkritikpunkte waren:
- fehlende Akzeptanz von zweier Beziehungen
- – Struktureller Druck zum Vollzug von sexuellen Handlungen.
- – Mangelne Wertschätzung für die Entfaltung des Individuums zu Gunsten der kollektiven Erfordernisse
- – Hierarchie und Mangel an Raum zum Ausdruck von Widerständen
- All das schreibe ich nicht auf aus Schadenfreude, Rechthaberei oder aus dem Wunsch Schaden anzurichten. Ich will nur ein paar grundlegende Gedanken zur historischen Kontinuität von Adolf Hitler über Otto Mühl bis hin zu der quasi totalitären Ideologie der globalen Heilungsbiotope aufzeigen. Das Argument lautet in etwa wie folgt:
- Im Versuch alle totalitaristischen, autoritären und gewaltsamen Elemente der Nazi-Ideologie mit Vehemenz los zu werden, hat man einen Schatten mitgeschleppt, den man offenbar durch noch so viel Forum nicht vollständig hat auflösen können. Autoritär deshalb, weil die Hierarchie Kritik eher verunmöglicht. Totalitär deshalb, weil die Lösung der sexuellen Frage, als Lösung für alle und jeden verstanden wird. Gewaltsam deshalb, weil ein System entstand, dass Frauen und Männer motiviert hat, über ihre eigenen Grenzen zu gehen.
- Von den Soldaten der Wehrmacht über die geschorenen, Teils entwürdigten Kommunaden Otto Mühls, führt eine Kontinuität bis hin zu den Genossen, die alles zur Heilung der Welt haben tun wollen. Am duhmschen Wesen soll die Welt genesen. Sie ist nämlich krank und braucht Medizin. Starke Medizin. Den freien Eros. „Wollt Ihr die totale Liebe? Wollt Ihr sie wenn nötig noch totaler als total?“
- Rutger Bregman führt in seinem Buch „Im Grunde gut“ aus, wie der Mensch sich selbst, als soziales Wesen auf Verträglichkeit hin selektiert hat. In einer nomadisch und vielleicht matriarchal lebenden Gruppe wurden die Grobiane tendenziell nicht mit Liebe bedacht und hatten weniger Nachkommen. Zeugnis davon legen unsere relativ schmalen Wangenknochen, die verletzliche Stirn etc. ab. Der Neandertaler war robuster, klüger, stärker. Er hatte ein größeres Gehirn. Aber… Er könnte unsozial gewesen sein. Homo Sapiens war darauf bedacht, größere Gruppen koherent zu gestalten und konditionierte deren Mitglieder über Jahrtausende zur Kooperation und Verträglichkeit.
- Diese vordergründig positive Eigenschaft sorgt nicht nur für ein angenehmes Miteinander, sondern manchmal auch dafür, dass Individuen die Erwartungen, ausgesprochen oder nicht, der Gruppe erfüllen. Wir wollen den andern und dem Führer gefallen. In sofern der Führer im Soldatenrock oder lungi ein Rollenmodell ist, wollen wir sogar sein wie er.
- Wenn nun der Führer verkündet, der Eros sei eben diese heilige Kraft, die wenn befreit, den tausendjährigen Frieden einleutet, dann haben die Mitglieder der ersten Keimzelle dieser planetaren Heilung eben sex. Mehrmals am Tag, mit verschiedenen Partnern. Vielleicht auch ob sie nun wirklich wollen oder nicht.
- Im heutigen Forum legten entspprechend MännerZeugnis davon ab, dass sie Frauen penetrierten, obschon sie spürten, dass dies gerade eine Handlung frei von Liebe war. Wir könnten den Vergleich der Vergewaltigung als Kriegswaffe ziehen.
- Frauen wiederum gaben an, sie haben ohne Unterschied und ohne dass „wann“ und das „wer“ zu klären mit Männern geschlafen. Es sind immer die Frauen, die feminine Genitalverstümmelung exekutieren. So sagte heute jemand, es handle sich um eine von Frauen exekutierte männlich geprägte Ideologie.
- All dies geschah in bester Absicht und für den „Endsieg“ über die Gewalt. Für eine Welt ohne Krieg. Im Namen aller Kreatur. Es müssen Opfer gebracht werden…
- Nochmal…. Im Versuch den Krieg, den Autoritarismus und die strukturelle Gewalt los zu werden, hat man sich einen Schatten eingefangen, der die selben Phänomene in neuer Gestalt hervorgebracht hat. All das geschieht, weil Menschen verträglich sein wollen, um dazu zu gehören.
- Ayda kritisierte die „moralische Verletzung“ die entsteht, wenn wir dem Genozid hilflos zu schauen und nichts tun können. Wir flüchten in Rationalisierung, Verweigerung oder Apathie, um den Schmerz nicht mehr spüren zu müssen.
- Sieben Jahre ist es her. Ich lag bei einer Frau, welche von der Gemeinschaft die Aufgabe übertragen bekommen hatte, halbstündlich mit jeweils anderen Männern zu schlafen. Sie war alkoholisiert und ansonsten eher passiv. Ich fühlte, dass hier etwas falsch war, obschon ich sie als Mensch mochte. Die Begegnung hatte keine Tiefe und war etwas seicht. Wichtiger aber finde ich jetzt in der Rückschau, dass sie zu einer „moralischen Verletzung“ geführt haben könnte, indem beide Seiten aufgrund der Rahmenbedingungen nicht gut in der Lage gewesen sein könnten, ihre Gefühle wahrzunehmen und „nein“ zu sagen. Ich Denke nicht, dass diese Begegnung „schlimm“ war. Ich möchte es aber auch nicht denken. Schließlich ging es doch um … Ja richtig Liebe. Und das kann und darf doch per Definition nicht falsch gewesen sein!
- Natürlich könnte man Störgefühle im Forum zum Ausdruck bringen. Aber wäre man damals in den alten Tagen in der Hierarchie aufgestiegen? Wäre man näher herangerückt an die 1942 geborene Manifestation des göttlichen Lichts, wie Dieter erst gestern genannt worden ist?
- All das klingt schlimmer, als es wahrscheinlich ist. Das Problem ist nicht das Ausmaß der strukturellen Vergewaltigung von Frauen. Das Problem ist auch wahrscheinlich nicht das Ausmaß in dem Männer in die Rolle all Zeit bereiter Erossoldaten gedrängt wurden, um gruppenverträglich zu sein. Das Problem ist, dass wir eben dieses Ausmaß aufgrund seiner schattenhaften Natur nicht vollständig kennen können.
- In dem Maße, wie Tamera externe Berater hinzu zieht und einräumt, nicht über „die Wahrheit“ zu verfügen, hört ein wundervolles Projekt auf, ein totalitäres System zu sein. In dem Maße, wie verschiedene Formen der Liebe lebbar und möglich werden, hört das Projekt auf psychologisch und moralisch verletzend zu sein. Unbenommen ist auch, dass sowohl Weib wie Mann Freude an freier Liebe haben können, nicht aber „müssen“. Dieses Wort aber hörte man im Kontext der politischen Aktivitäten des Projektes all zu häufig und wir erinnern uns: „Das intime ist politisch und das politische intim.“ Sind wir sicher, dass der „unbedingte Siegeswille“ das unbekannte Land zwischen Mann und Frau nicht in ein „Killing Field“ verwandelt hat, auf welchem vor allem und zu erst die Wahrheit gestorben ist? Glaubten wir wirklich wir hätten den Schatten der Mühls und Hitlers dieser Welt in drei Jahren abgeschüttelt?
- Kontakt, Vertrauen und Solidarität sind gerade Anfangs zarte Pflanzen, die nur da gedeihen, wo Ideologie nicht Forderungen an die Begegnung zwischen Menschen stellt. Befreien wir den Eros nicht nur von Angst und Eifersucht, sondern auch von Balast überzogener Erwartung und politischer Ambition. Wohlmöglich entstünde dann eben jene so oft beschworene „Koherente erste Gruppe“, welche in Wahrhaftigkeit versprechen könnte, einander nicht mehr zu verlassen. Und möglicherweise wäre eben jene Gruppe fähig ein Modell der Gewaltlosigkeit und Wahrheit zu sein, von dem die Welt lernen könnte, nicht muss.
Ich kann nicht genug betonen, wie inspirierend ich viele Aspekte Tameras finde. Nicht mal wöllte ich behaupten, freie Liebe sei per se böse. Böse wird sie, wenn sie zur Weltrettung einer notwendigen, bittren Medizin gleich, „verordnet“ wird. Das Charisma des Führers ist nicht böse. Erstickt aber der Wunsch der Jünger nach Frieden und Koherenz die Möglichkeit von Widerspruch und Kritik, so wird das göttliche Licht zur irrlichternden Verführung. Noch gestern gab Dieter an, er sei sein Leben lang nicht eifersüchtig gewesen. Wir wollen ihm glauben. Müssen wir aber alle ebenso werden wie er, weil er uns ein Licht entzündet hat und dieses Licht immer noch in bester Absicht trägt? Und ebenso wesentlich, darf er Mensch sein, fehlbar, halb sich seiner selbst bewusst, stolpernd, scheiternd und immer besser scheiternd?
Noch einmal. Im Dienst der Wärme, für alles was Haut und Fell hat. Im Namen von Mann und Weib. Und sie erkannten sich und beendeten den Krieg in ihren Herzen und als sie den Krieg gegen den Krieg beendet hatten, als sie auch den Krieg lieben konnten, da endlich vermochten sie einander zu lieben, frei, lustvoll, achtsam und in ruhiger Langsamkeit, einander Freude schenkend, für einander sorgend, wie Eltern für ihre Kinder sorgen.
Es gäbe einen Weg. Wenn wir das „Böse“ liebten. Wenn wir auch diese Wahrheit frei von inneren Krieg akzeptieren könnten, dann könnte nicht muss, Frieden zwischen den Geschlechtern sein. Und wenn kein Krieg gegen den Krieg mehr in den Herzen wäre und deshalb die Liebe frei wäre, nicht nur frei von Angst und Eifersucht, sondern frei von politischen Ansprüchen, dann vielleicht könnten Frieden und Liebe ausstrahlen und ganz allmählich die Welt erfüllen. Es geschähe nicht in drei Jahren und vielleicht niemals. Ob die Liebe stärker ist, als die Gewalt können wir nicht sicher wissen, wohl aber hoffen, darauf vertrauen und eben … lieben.