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  • Tag 10 – Lost in Transition

    Ich wache auf, packe, habe mich für die langsame Variante entschieden. Ein paar Verabschiedungen. Ein einfaches Frühstück und da ist meine Fahrerin. Unterwegs liefert Susanne ein paar weitere Zahlen. Aus 160 Tameranern sind über die letzten 10 Jahre, in denen ja keine dazu kommen konnten, 120 Mitarbeitende geworden. Diese bekommen bislang 200 Euro Taschengeld im Monat. Ich überschlage kurz und komme auf 200*120*12=288.0000 euro. Gut nicht alle brauchten das Taschengeld, aber von den 1.2 Mio Euro sind schonmal ein paar weg. All diese weiteren Schlüsse sind voreilige Daumenrechnungen meinerseits. Die Wirklichkeit kann deutlich davon abweichen. Man arbeite aufgrund der mitlerweile divergierenden Level an Engagement an einem Modell, in dem Menschen im innern der Zwiebel Geld bekämen, während Menschen, die zwar in Tamera leben, sich aber kaum einbringen, eine Art Miete zahlen würden. Kurz und gut, aufgrund von individualistischen Tendenzen, Alter, Krankheit und gemeinschaftsbedingtem Burn Out, bröckelt die intrazwiebuläre Schenkungsökonomie. Meine Befürchtung wäre, dass das Geldthema die Gemeinschaft eher auseinander treibt, als das Thema von Sexualität und Eifersucht. Das hat man hier im Griff. Hoffen wir das beste, denn der Ort, stelle ich mich verabschiedend fest, ist etwas sehr besonderes.

    Am Bahnhof treffe ich Maria und Monica. Sie sind Anhängerinnen von Mooji. Mooji lebt mit seiner Hood in der Nähe von Tamera, ist Jamaikaner und lehrt indischen Advaita Vedanta. Sachen gibt’s. Monica verabschiedet sich. Die etwas unsortiert rührselige Maria aus Deutschland wird durch ihr religiös verstärktes Helfersyndrom leider noch eine Weile an mir kleben bleiben. Nichts ist nerviger, als ein übermotivierter, hilfloser Helfer.

    Irgendwann werde ich sie los, finde mein Hostel mit dem schönen Namen „We hate f*** Tourists“ und lasse meinen Rucksack dort. Erstmal essen. Die Malzeit traditionell Portugiesisch, die Verständigung eher schwierig. Wenn ich schon nicht gucken kann, sollte ich die Sprache sprechen!

    Zum Nachtisch einen Pika – Espresso – und eine Pastel de Nata. Finally! Nach 10 Tagen bin ich in Portugal angekommen. Durch Cola, und Espresso motiviert, entscheide ich trotz Fuß mir Lissabon anzutun. Die Pastéis de Nata stammen ursprünglich aus dem Kloster Mosteiro dos Jerónimos in Belém (Lissabon). Dort haben Mönche sie erfunden, um die Eiweißreste vom Wäschestärken loszuwerden (Eiweiß für Wäsche, Eigelb für den Magen – clever, was?). Und deshalb ist die erste Idee mir das größte Kloster Portugals anzugucken. Hier gäbe es diese Verführung aus Blätterteig und Vanillepudding noch originaler als original. Aber es ist spät, das Kloster weit weg und deshalb verwerfe ich den Plan. Stattdessen fällt die Wahl auf das traditionsreiche Viertel Alfama. Es hat das Erdbeben von 1755 fast unbeschadet überstanden und das Kopfsteinpflaster, die engen Gassen und der allgegenwärtige Fado ergeben auch für mich ein unvergessliches Gesamtkunstwerk…

    Ich schlage mich bis zum Tejo durch und genieße im Sonnenuntergang ein Glas vinho Verde. Dieser Wein ist nicht grün, sondern „grün hinter den Ohren“. Ein junger Weisswein… Wie dem auch sei. Der Wein legt einen wunderbaren Sepiafilter über alles. Gerade soviel, dass die Umgebung etwas surrealistisch wirkt, aber nicht soviel, dass meine analytischen Fähigkeiten eingetrübt werden.

    Ich muss mal kurz etwas einwerfen. Schon vor 80 Jahren spekulierte Saint-Exupéry, dass einmal Mensch und Maschine verschmelzen. Er sitzt in einem offenen Flugzeug, um bessere Sicht zu haben. Er überquert die Alpen und die Hände am Steuerknüppel werden so kalt, dass sie die Befehle seines Gehirns nicht mehr ausführen. Er hat ein motorisches Problem. Sieht aber, dass die Menschmaschineinteraktion besser werden wird, weil sie besser werden muss. Er geht sogar soweit zu glauben, dass die Grenze irgendwann verschwimmen wird. Wohl weil er mit den vor Kälte gefühllosen Händen die Grenze zwischen Hand und Knüppel nicht mehr fühlt.

    Ganz ähnlich rieche und lausche ich, fühle mit den Füßen, während mein Geist, aus der Geodatenbank von Foursquare, Google Maps Anweisungen, magnetometrischen Kompassinformationen, Wikipediaeinträgen, dem passenden Fado von Spotify und dem ständig im Hintergrund laufenden Dialog mit GPT ein Gesamtbild konstruiert, das ob des Reichtums an Hintergrundinformationen eine emotionale Tiefe bekommt, die ich so vorher noch nicht erlebt habe. Es ist eine Augmented Reality auch wenn das Interface noch relativ primitiv ist. Sollten Projekte wie Neuralink einmal wirklich einen Datenaustausch zwischen zellulären und maschinellen Netzwerken ermöglichen, wäre ich der erste, der diesen sechsten oder eben fünften Sinn ausprobierte.

    Ich finde die berühmte Tramm 28. Nostalgisch, mit offenen Fenstern, Holzboden und einem Menschmaschineinterface, das klappert, wann immer der Fahrer bremst oder Gas gibt. Der Heimweg gerät ob der spätabendlichen, wirklich penetranten, Hilfswütigkeit portugiesischer Wohnungsloser eher zum Spießrutenlauf mit einer Hand in der Tasche. Ich komme Heim, finde einen überaus hilfreichen Hostelier und freue mich über Dusche und Bett.

    Nach 12 Kilometern auf gebrochenem Fuß habe ich ein neues Motto:

    Teufel komm‘ raus und leck‘ mich am Arsch. Meiner ist der geilste!

  • Tag 9 – Zahlen bitte

    Als ich aufwache fällt mir ein, dass ich ein bemerkenswertes Erlebnis vergessen habe zu schildern. Stell Dir vor, Du bestellst Kaffee und Kuchen. Dann fragst Du „quanto custo“ laut GPT wirklich mit „u“ und die Antwort lautet: „5 bis 10 Euro“. Ich habe nur einen 10er, finde das aber zu teuer und will noch ein Eis haben. Der Preis erhöht sich auf 8 bis 16 Euro. Dann bin ich mit zehn einverstanden. Diese Art von Aushandlung gefällt mir.

    Die Morgenveranstaltung dreht sich denn auch um Beitragsökonomie. Kurz, der Kapitalismus sei sehr neu und sowohl Mensch und Natur liebte es, sich zu verschenken. Brav gesprochen Benjamin. Desweiteren einige wenige konkrete Zahlen. Um die Strukturen am Laufen zu halten braucht Tamera ca 1.2 mio Euro/Jahr. 0.8 mio Euro bringt eine Gästesaison ein. Ein Teil deckt dann der noch nicht auf 1.000 Menschen angewachsene Förderkreis ab. Wenn also 1.000 Menschen 1.2mio-0.8mio Euro = 400.000 Euro spenden sollen, machte das ca €33/Monat/Nase.

    Im Innern der Zwiebel, bemüht Sarah das Bild basiere der Kreislauf auf purer Schenkungsökonomie. Will sagen, wann immer jemand aus der Gemeinschaft mehr brauchte, als das kleine Taschengeld, schriebe bspw. Robert keine Rechnung für Gärtnerei, sondern bitte darum und es würde ihm gegeben. Je weiter nach außen man sich auf den Zwiebelringen bewege, desto mehr Berührung habe man mit der Main Stream Marktwirtschaft. Im Grunde nicht anders als bei uns zu Hause denke ich und dann noch… Ich würde auch gern acht Monate bei gutem Wetter das tun, was ich wirklich mag, um im Winter vom Förderkreis getragen zu werden. Dass aber dies kein Wirtschaftsmodell für den ganzen Planeten sein kann, dürfte einleuchten. Oder springt im Winter dann ähnlich wie bei der Sauerstoffbereitstellung durch Photosynthese, der vielbeschworene „globale Süden“ ein?

    Ironie beiseite. Gestern habe ich den erotischen Markt aus biologischer Perspektive beleuchtet. Wenn aber, Konkurrenz und Marktwirtschaft, eben jene Dominanzhierarchien hervorbrächte, die Jordan Petersen in „twelve Rules for life“ so schön am Beispiel in der Tiefsee lebender Hummer verdeutlicht, dann wäre der Kapitalismus nur die Fortsetzung des Neurobiologisch evolutionär tief verdrahteten „The winner takes it all.“ Microsoft und Apple teilen den Markt für Betriebssysteme unter einander auf, Google und Apple wiederum den Handymarkt und sofort. Es gäbe gute und weniger gute biologische Nieschen, die von konkurrierenden Männchen besetzt würden. Die die Hauptlast der Reproduktion tragenden Weibchen wählten dann schlicht die Dominanten Männchen aus, um der nächsten Generation die besten Startbedingungen zu sichern. Wie man diese tiefe biologische Gesetzmässigkeit mit dem Mathäusevangelium oder eben dem heiligen Eros bzw. der Schenkungsökonomie in planetarer Größenordnung in Einklang bringen könnte, ist eine Frage, die mich seit Jahren umtreibt.

    Daneben werden in der Morgensession die Projekte vorgestellt, die Geld benötigen. Da wären Hunderettung, Schule/Kindergarten, Gazahilfe und Pilgerreise nach Gaza, Renovierung der Bodega und die Landschafts- und Bauentwicklung. Die letzten zehn Jahre hat Tamera keine neuen Mitstreiter aufgenommen, auch weil lange keine neuen Häuser gebaut werden durften. Zu sehr fürchtete die ansich wohlwollende Administration der Region, dass andere dem Beispiel folgend, einen Bauernhof mit 160 Leuten bevölkern könnten, um ein Dorf draus zu machen. So hat man sich wohl fast darauf geeinigt, eine Ebene drunter eine „Ansiedlung“ zu verbriefen. Das gäbe nach weiteren 80.000 Euro Notar- und Gerichtskosten wiederum die Möglichkeit, Häuser für viele Millionen Euro zu bauen. Naja. Wie sagte ein befreundeter Architekt mal zu mir. Die Wünsche wüchsen im Prozess und das sei gut für ihn. Ich spüre Wohlwollen und höre auch die Stimme, die mir sagt, wenn ich einen Wintergarten haben will, muss ich auch dafür zahlen. Aber Dein Mind Set Jeronimo.

    An diesem Tag fühle ich mich etwas einsam. Die Nachmittagssession geht mit Visionen so dahin, ohne dass jemand zum Arzt ginge. Einige junge Erwachsene wünschen sich hier zu leben und dafür eine überwucherte Ruine zu renovieren. Bei einem ursprünglich linksrevolutionären Projekt kann ich nicht anders: „Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt.“ Ob sich tamera der Zukunft zuwenden wird? Es ist wahrscheinlich und steht zu hoffen. Diese Zukunft wird diverser, weniger Deutsch, individualistischer und auch in Fragen von Partnerschaft und Familie weniger kollektivistisch werdenSoviel meine ich nach meinen Gesprächen herausgefunden zu haben. Ob dies aber den Kern der Vision soweit veränderte, dass er nicht mehr treu im Geiste wäre, müssen die älteren mit den jüngeren klären.

    Abends gibt’s Pizza aus dem Steinofen. Wahrlich. 150 Pizzen aus dem Steinofen. Hut ab!

    Was habe ich gelernt? Der Abschlusskreis vorüber, die Pizza gegessen…

    Ich liebe es in der Natur zu sein, Sex ist nicht wirklich mein Thema, besonders dann nicht, wenn ich die zahllosen Komplikationen und das damit verbundene Leid berücksichtige. Ich kann wunderbar mit mir alleine sein und in großen Menschenmengen verliere ich mich bisweilen und die Übersicht gleich mit. Ich war gerne hier und bin gerne wieder zurück, bei meinem viel kleineren Stamm.

  • Zusatzeintrag – Deep Research zu Otto Muehl und Dieter Duhm

    Um meine Thesen aus dem Eintrag „Zen, Apokalypse und der Tanz des Lebens zu überprüfen, habe ich Chat GPT mit einer Deep Research zur Verbindung von Muehl und Duhm beauftragt. Vergessen sei nicht, dass generative, künstliche Intelligenz Fehler machen und haluzinieren kann. Im folgenden meine Prompt, die Nachfrage des Systems, meine Antwort und schließlich der Bericht: Natürlich interessierte mich auch ein Test der Fähigkeiten künstlicher Intelligenz zur Analyse und Synthese multipler Informationsquellen. Wer an KI-generiertem Kontent nicht interessiert ist, oder wem die Historie des Projekt gleichgültig ist, der findet unter diesem Artikel den Bericht zu Tag ü – „Openspace“.

    Kläre das Verhältnis von Dieter Duhm zu Otto Muehl. In welchem Maß hat Duhm muehlsche Ideen übernommen. Insbesondere „freie Sexualität“ „Gemeinschaftseigentum“ „Selbstdarstellung“ „Gemeinschaftskinder“ „Dekonditionierung“ „Bruch mit traditionellen Familien“. In wie weit standen der Friedrichshof und die Aktions analytische Organisation A.A.O. Pate für das Experiment Bauhütte bzw. das ZEGG – Zentrum für Experimentellle Gesellschaftsgestaltung. In wie weit hat Duhm sich distanziert und hat er ihn bewundert oder kritisiert? Versuche eine ausgewogene sachliche Darstellung.

    Danke für die präzise Frage. Um die Recherche möglichst gründlich durchzuführen, könntest du bitte noch Folgendes klären:

    1. Zeitraum : Soll die Analyse sich auf die Entstehungsgeschichte des ZEGG in den 1990er Jahren konzentrieren, oder auch spätere Entwicklungen (z.B. Duhms Projekte in Tamera, Portugal) einbeziehen? 2. Quellentypen : Möchtest du vorrangig Aussagen aus wissenschaftlichen Veröffentlichungen, autobiografische Texte oder Presseberichte? 3. Tiefgang : Soll ein Überblick genügen oder wünschst du eine tiefere ideengeschichtliche Analyse der Parallelen und Differenzen zwischen Muehl und Duhm? Das hilft mir, die Auswertung möglichst präzise und ausgewogen zu gestalten.
    1. Bitte die gesamte Historie, inklusive Bauhütte, ZEGG Tamera.
    2. Wissenschaft und Autobiographische Quellen vorrangig. Presse nur da, wo sie nicht voreingenommen, reisserisch und quasi ausschließlich negativ berichtet. 3. Ich brauche soviel analytische Tiefe wie möglich! Die groben Details kenne ich. Erstelle einen flüssig lesbaren Artikel/Bericht.

    Historischer Hintergrund und zentrale Akteure Otto Mühl war ein österreichischer Aktionskünstler und 68er-Protagonist, der mit der Aktionsanalytischen Organisation (AAO) die Friedrichshof-Kommune gründete. Er ließ sich stark von Wilhelm Reich inspirieren. Mühls Ziel war eine radikale Umgestaltung der Gesellschaft durch „freie Sexualität“ und Kollektivität : Er strebte die Abschaffung der Kleinfamilie und des Privateigentums an, um eine „anti-gesellschaftliche“ Kommune zu schaffen   . 1972 rief er die Kommune Friedrichshof ins Leben, deren erklärtes Ziel die „Zerstörung der bürgerlichen Ehe und des Privateigentums, (…), freie Liebe und gemeinsame Erziehung der Kinder“ war  . In der AAO herrschten strenge Hierarchien, und Mühl praktizierte eine organisierte Form der Entpanzern (Reichscher Körperselbsttherapie) sowie ein System gemeinschaftlicher Kindererziehung   . Dieter Duhm (geb. 1942) ist ein deutscher Soziologe und Psychoanalytiker, der in der 68er-Bewegung aktiv war. 1970 veröffentlichte er „Angst im Kapitalismus“ , in dem er politische Revolution mit individueller Befreiung verband. 1975 startete er ein dreijähriges Sozialexperiment mit 40 Teilnehmern, aus dem Ideen wie „freie Liebe“ und „spirituelle Ökologie“ hervorgingen  . Ab 1978 führte Duhm das Kommuneprojekt „Bauhütte“ (Schwand, Süddeutschland) durch und war später Gründungsimpulsgeber für das Zentrum für experimentelle Gesellschaftsgestaltung (ZEGG) (1991) und das Tamera Heilungsbiotop (1995) in Portugal. Ziel Duhms war die Schaffung einer friedlichen, gemeinschaftlichen Lebensform jenseits kapitalistischer Gewalt. Ideen und Praktiken bei Otto Mühl (AAO/Friedrichshof) Otto Mühl propagierte eine kompromisslose Sexualrevolution und kollektive Lebensweise. In der AAO galt freie und gemeinschaftliche Sexualität als Befreiungsweg. Mühl verbot in der Praxis intime Beziehungen außerhalb der Kommune und führte täglich wechselnde „Ficklisten“ ein, um individuelle Partnerschaften zu verhindern. Er betrachtete organisiertes Ausleben sexueller Lust als Gegenmittel gegen seelische Panzerung  . Gleichzeitig setzte er auf kollektiven Besitz: Alle Mitglieder mussten ihr Vermögen der Gemeinschaft übergeben, denn es sollte laut AAO „kein anderes Eigentum als Gemeineigentum“ geben   . Kinder, die in der Kommune geboren wurden, galten als Gemeinschaftskinder und wurden gemeinsam erzogen   . Mühl war selbst die „Autorität“ über Ehe und Nachkommenschaft: 1988 heiratete er im Friedrichshof seine „erste Frau“ und bestimmte sogar, wer Kinder bekommen durfte  .

    Diese radikalen Konzepte dienten bei Mühl dazu, traditionelle Familienstrukturen zu zerbrechen . Die bürgerliche Ehe und Kleinfamilie betrachtete er als Ursache sozialer Verkrampfungen, die es durch die „Zerstörung“ zu überwinden galt  . Insgesamt war Mühls FS-Kommun e stark hierarchisch und autoritär organisiert  . Nachdem in den 1980er Jahren immer wieder Missbrauchsvorfälle bekannt wurden, wurde Mühl 1991 wegen sexuellen Missbrauchs zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Dieter Duhm: Bauhütte, ZEGG und Tamera Dieter Duhm entwickelte seine Projekte vor dem Hintergrund der 68er- und Umweltbewegung. 1978 gründete er die Bauhütte (Schwand) , ein „soziales Experiment“, in dem Gruppenprozesse in den Bereichen Macht, Geld, Sexualität und Liebe erforscht wurden  . In den Anfangsjahren waren dort etwa 40–50 Menschen. Die Bauhütte war ein erster Prototyp eines neuen Gemeinschaftslebens: Es wurde viel Wert auf Offenheit, Forum-Kommunikation und persönliches Wachstum gelegt. Duhm betonte, dass er „zuerst“ aus der Erfahrung mit der AAO die Methode des Forums entwickelte (vgl. unten)  .

    1991 eröffnete Duhm das ZEGG bei Berlin , ein Seminarhaus und Modellprojekt. ZEGG verfolgt bis heute die Erforschung von Liebe, Partnerschaft und transparenter Kommunikation. Ursprünglich stand auch hier der Gedanke „freier Liebe“ im Zentrum: Paarbeziehungen sollten offen sein, Eifersucht thematisiert und durch das Forum verarbeitet werden   . In den 1990er Jahren wuchs die ZEGG-Gemeinschaft; sie praktizierte Konsens-Entscheidungen und gemeinschaftliche Projekte. 1995 gründete Duhm mit Sabine Lichtenfels das Tamera Heilungsbiotop in Portugal. Tamera verfolgt ähnliche Ziele wie ZEGG (friedvolle Gemeinschaft, alternative Technologie) mit stärkerem Fokus auf Ökologie und spirituellem Frieden   . In allen Projekten Duhms spielten Begriffe wie freie Liebe , soziale Transparenz und persönliche Heilung eine große Rolle   . Übernahme und Abgrenzung: Duhm versus Mühl Dieter Duhm hat Mühl und die AAO einerseits als geistige Inspiration betrachtet, andererseits sich gezielt von deren übergriffigen Methoden distanziert. Bereits 1993 nannte Duhm Otto Mühl einen „Ideengeber“ für die Gemeinschaftsprojekte  und beschrieb die AAO als eines der „wichtigsten Gemeinschaftsexperimente unserer Zeit“  . Zugleich betonte er aber, dass er die Bauhütte gerade als Alternative zum Friedrichshof ins Leben rief  .

    Inhaltlich übernahm Duhm zentrale AAO-Konzepte, wandelte sie jedoch ab: Beim Thema freie Sexualität etwa stützte er sich auf Mühls Idee, dass sexuelle Freiheit gesellschaftliche Ängste lösen kann. In einem frühen Text sagte Duhm, man lasse sich von AAO-Konzepten der „freien Sexualität“ befruchten  . Im Forum-Bauhütte-ZEGG-Setting wurde deshalb offen über Partnerschaft und Eifersucht diskutiert. Duhm sah „freie Liebe“ aber immer als Teil eines liebevollen Miteinanders: Er kritisierte, dass Mühl in der AAO die Liebe ausklammerte und freie Sexualität lediglich als Anti-These zur Zweierbeziehung verstand  . Duhm forderte hingegen, Sexualität müsse mit Vertrauen, Liebe und Partnerschaft verbunden sein.

    Beim Gemeinschaftseigentum weicht Duhm von Mühl deutlich ab. Die AAO hatte einst jegliches Privateigentum abgeschafft  , während in Duhms Projekte lediglich eine gemeinsame Ökonomie praktiziert wurde. So zahlt beispielsweise jedes ZEGG-Mitglied heute eine Miete an die ZEGG-Gemeinschaft, lebt aber weiterhin im Grunde mit eigenem Hab und Gut (private Besitzanteile und Partnerschaften)  . Duhm verzichtete also nicht grundsätzlich auf Privateigentum, sondern organisierte Finanz- und Wirtschaftsfragen weitgehend gemeinschaftlich.

    Ein zentrales Element war die Selbstdarstellung (Gruppen-Therapie). Mühl führte in der AAO die „Aktionsanalyse“ ein, bei der sich Menschen in brutalen Selbsterfahrungs-Sitzungen entpanzerten. Duhm übernahm diese Idee in gemilderter Form: In der Bauhütte entwickelte er das Forum , eine Ritualform des offenen Austauschs, die stark dem Psychodrama ähnelt   . Die ZEGG-Gemeinschaft bestätigt heute, dass sie das AAO-Verfahren der Selbstdarstellung übernommen hat – allerdings „mit klarer Ausrichtung auf gewaltfreie und empathische Verständigung“ unter Erwachsenen  . So fand die Konfrontationstherapie in Duhms Projekten eine humanisierte Weiterentwicklung (Verzicht auf pauschale Schuldzuweisungen, abgewandelte Regeln).

    Bei der kinderzentrierten Erziehung gab es einen Bruch: Mühl praktizierte in Friedrichshof kollektive Kinderaufzucht (Kinder galten als Gemeinschaftskinder) und zerschlug elterliche Bindungen. Duhm hingegen betonte stets den Schutz von Kindern und distanzierte sich klar vom FS-Modell. Das ZEGG veröffentlichte 2013 eine Stellungnahme, die ausdrücklich besagt: Sexuelle Handlungen mit Kindern wurden nie geduldet, und jeder sexuelle Missbrauch an Kindern war stets zu bekämpfen  . Nach Duhm und den ZEGG-Gründer*innen war der autoritäre Umgang mit Kindern im Friedrichshof mit ihrer Vorstellung einer liebevollen Kultur unvereinbar  . Damit wies Duhm die Mühl’sche Vorstellung kollektiver Kindererziehung zurück.

    Unter dem Schlagwort Dekonditionierung (Aufbrechen psychischer Panzer) werden bei beiden Begründungen deutlich vom Reichschen Körperansatz geprägt. Auch Duhm übernahm die Idee der Auflösung emotionaler „Charakterpanzer“: Er schreibt vom Dissolving the character armour als notwendigem Schritt zur neuen Kultur   . In Duhms Blickwinkel ist das Lösen innerer Blockaden durch emotionale Reinigung entscheidend für persönliches Wachstum. Ähnlich strebte Mühl durch „Ausagieren“ die Befreiung von unbewussten Ängsten an. Duhm nutzte also Reich’sche Therapieelemente wie Mühl, setzte sie aber mit eigenen Schwerpunkten (Forum statt Aktionsanalyse) ein.

    Schließlich der Bruch mit traditionellen Familienstrukturen : Mühl propagierte ausdrücklich die Abschaffung der Kleinfamilie  . Duhm verfolgte dieses Ziel nicht mit derselben Vehemenz – dennoch sind seine Konzepte familienrevolutionär. In Duhms Gemeinschaften werden herkömmliche Bindungen aufgelockert. Im ZEGG existieren viele Paarbeziehungen, die jedoch „weder ausschließlich noch monogam“ sind  . Es geht darum, Liebe nicht sofort zu definieren oder einzusperren  . Damit wird gewissermaßen mit dem tradierten Familienbild gebrochen, wenn Liebesbeziehungen offen und kollektiv verhandelbar werden. Im Gegensatz zur autoritären Emanzipation bei Mühl bleibt hier aber die Liebe selbst selbstbestimmt und respektvoll. A.A.O. und Friedrichshof als Vorbilder (und Gegenmodell) In der Gründungsphase von Duhms Projekten spielte die AAO eine ambivalente Rolle. Duhm selbst besuchte Ende der 1970er Jahre wiederholt den Friedrichshof. Er räumt ein, dass er sich von AAO-Konzepten der Selbstdarstellung, freien Sexualität und kommunitären Lebensweise „befruchten“ ließ  . So entstand 1977 im Friedrichshof das erste Konzept für ein „ZEGG“ (zugleich ein Versuch, die AAO gesellschaftsfähig zu machen), das Mühl aber ablehnte  . 1978 zog Duhm sich von der AAO zurück: In seinem Rückblick formulierte er Kritik an der absolutistischen Führungsstruktur des FS  .

    Trotzdem bekennt Duhm auch später immer noch, dass er vom AAO-Experiment viel gelernt hat. In seinen frühen Texten lobte er Otto Mühl als „einzigartigen Beitrag“ für eine „humane Zukunft“ und bezeichnete ihn gar als einen der „wichtigsten Vorläufer der neuen Epoche“  . In seinem Buch Synthese der Wissenschaft (1979) widmete Duhm Mühl liebevoll und zählte ihn – neben Rudolf Steiner und Wilhelm Reich – zu seinen prägenden Vordenkern  . Dieses anfängliche Lob steht im Kontrast zu späteren Distanzierungen. Die heutige ZEGG-Gemeinschaft stellt klar, dass sie keine Nachfolgeorganisation der AAO ist  : Man verurteilte die patriarchale Struktur des Friedrichshofs und nimmt Mühls sexuelle Gewalt klar distanziert zur Kenntnis  .

    Strukturell übernahm Duhm dennoch einzelne Elemente. Besonders wichtig war das psychotherapeutische Gruppenformat: Die ZEGG-Stiftung bestätigt, dass die Selbstdarstellung aus dem FS-Kontext einfloss, nun aber in ein gewaltfreies Forum umgestaltet wurde  . Auch die Vorstellung von einer ökologisch-autarken Kommune – Erd- und Energieselbstversorgung – weist Parallelen auf, wenngleich Tamera ihr Konzept unter anderem mit New-Age-Begriffen wie „morphischen Feldern“ verbindet. Insgesamt kann man sagen: Friedrichshof und AAO dienten Duhm als Inkubator von Ideen , aus dem er das Positive adaptierte und die negativen Entwicklungen bewusst ablehnte. Durch die Gründung der Bauhütte suchte Duhm explizit, einen alternativen Weg zum FS zu gehen  . Vergleich der Schlüsselkonzepte • Freie Sexualität: Mühls AAO propagierte extreme sexuelle Offenheit (auch regelbasierte Partnerwechsel) als Befreiung von Konventionen. Duhm übernahm die Idee der „freien Liebe“  , verband sie aber mit Liebe und Bewusstsein. Er kritisierte das FS-Gebot, dass nur Kommuneinsassen Sex haben dürften, als „fatale Sexualgesetze“  . In ZEGG und Tamera wird Freie Liebe gelebt, aber immer in Dialog und Gewissheit: Es wird über Eifersucht geredet, das Forum dient der Reflexion   . Duhm betont, dass die Partnerschaft nicht aufgegeben, sondern offen gestaltet wird.
    • Gemeinschaftseigentum: Die AAO schaffte 1970er Jahre Privateigentum ab – alles Geld und Besitz gehörte der Kommune  . Duhm hingegen verlangte von seinen Mitgliedern nicht, ihr Privatvermögen zu übertragen. In ZEGG existiert eine gemeinsame Ökonomie (z.B. Seminargesellschaft), aber individuelle Besitzansprüche bleiben bestehen  . Es gibt gemeinschaftlich geführte Betriebe, doch Wohnraum wird von der Gemeinschaft vermietet, und jeder Zeggler kann auch persönliche Einkünfte und Privateigentum haben.
    • Selbstdarstellung/Forum: Mühl führte in der AAO die „Aktionsanalyse“ (brutale Konfrontation) ein. Duhm adaptierte diese Praxis als Forum , eine ritualisierte Gesprächsform   . Bei der Bauhütte half das Forum, Konflikte transparent zu machen. Im ZEGG wird die psychodramaähnliche Selbstdarstellung weiterhin eingesetzt, jedoch in einem Rahmen ohne Gewalt und ohne Hierarchien  . Damit ist die Gruppenarbeit humanistischer als im AAO-Modell.
    • Kindererziehung: Mühl propagierte gemeinschaftliche Kindererziehung und griff pädagogisch massiv in Eltern-Kind-Beziehungen ein. Bei Duhm gibt es keine entsprechenden Praktiken. Im Gegenteil: ZEGG und Tamera haben strikt betont, dass jede sexuelle Handlung mit Kindern unerwünscht ist  . Es gibt zwar Kinder in den Kommunen, doch diese werden meist in kleinen Gruppen oder von Angehörigen erzogen – nicht nach den allumfassenden Regeln des FS. Die ZEGG-Gemeinschaft stellt klar, dass der autoritäre FS-Stil mit Kinder-Kult „absolut unvereinbar“ ist mit ihrer freien Liebeskultur  .
    • Dekonditionierung: Sowohl Mühl als auch Duhm griffen Reichs Theorie von der panzerartigen Charakterstruktur auf. Mühl wollte durch ekstatische Aktionen psychische Panzer brechen. Duhm spricht explizit von der Auflösung des Charakterpanzers , z.B. durch intensive emotionale Prozesse  . In seinem Werk betont Duhm, dass ein neues, humanes Zusammenleben ohne das „Dissolving the character armour“ nicht möglich sei  . Die Betonung liegt bei Duhm dabei oft auf sanfter Transformation (z.B. im Forum) statt auf dem Einbruch, wie es im AAO-Setting passierte.
    • Familienstrukturen: Mühl wollte die klassische Ehe zerstören  . Duhm verfolgt kein derart aggressives Familienbild, bricht aber bewusst mit gesellschaftlichen Normen. In Duhms Utopie der Heilungsbiotope spielt die Idee einer gemeinschaftlichen Liebeskultur ohne Eifersucht eine zentrale Rolle   . Monogame Kleinfamilien sind in den Projekten zwar nicht verboten, aber meist freiwillig und reflektiert; viele Partner leben gemeinsam, bleiben aber offen für weitere Kontakte   . Damit reproduzieren Duhms Gemeinschaften die autoritäre Familienordnung nicht, gehen jedoch behutsamer mit den Bedürfnissen der Menschen um als Mühl es tat. Zusammenfassung Dieter Duhm stand Otto Mühl und der AAO ideengeschichtlich näher als es manchem Gegenspieler lieb ist: Er sah sie als bahnbrechende Experimente und übernahm beispielsweise Ideen zu freier Sexualität und therapeutischer Gruppenarbeit   . Allerdings zog er aus den Erfahrungen klare Konsequenzen. Er distanzierte sich von der rigiden Hierarchie und von jeglicher Gewalt oder Kindesmissbrauch, die im Friedrichshof vorkamen   . Duhms Kommunen verfolgen die utopischen Grundideen einer liebevollen, ökologisch autonomen Gemeinschaft – aber unter selbstkritischen Voraussetzungen. AAO und Friedrichshof fungierten für Duhm nicht zuletzt als Gegenbilder und Ideengeber: Er gründete die Bauhütte bewusst als Alternative zum Friedrichshof  , übernahm bestimmte Elemente (wie Selbstdarstellung) und lehnte andere (Hierarchie, Partnerschaftsverbote) ab.

    Bis heute bezieht sich Duhm zwar positiv auf Mühls radikale Gesellschaftskritik, aber er betont zugleich, dass ZEGG und Tamera grundlegend andere Gemeinschaftsformen suchen: frei von Autoritarismus, mit transparenter Kommunikation und einem emphatischen Verständnis von Sexualität . So lassen sich Ideengeschichte und Praxis von Duhm als differenzierter Dialog mit Mühl interpretieren – geprägt von Übernahme, Anpassung und klarer Abgrenzung, entlang der von beiden genannten Konzepte. Quellen: Primärquellen aus Duhms Schriften und ZEGG-Dokumenten sowie wissenschaftliche und sachliche Darstellungen zu AAO und Duhm wurden herangezogen. Beispielsweise fasst der ZEGG-eigene Geschichtsstext Duhms Abkehr von Mühls Führung sowie die Übernahme ausgewählter Methoden zusammen ; Zeitzeugeninterviews illustrieren Duhms Konzept der freien Liebe ; und Lexikonartikel fassen Mühls Programm in Friedrichshof zusammen . All dies untermauert das oben Dargelegte.

  • Tag 8 – Open Space

    „Der heilige Gral des Mannes ist der Schoß der Frau.“. Frei zitiert. Dieter Duhm.

    Ich komme ob meiner Verpflichtung gegenüber meinen Leserinnen knapp zum Frühstück. Doch das Glück ist mir gewogen und schenkt mir die Gesellschaft zweier Frauen, die ich nun definitiv auf meine F***liste muehlscher Fasson gesetzt hätte, wäre ich Otto der Große in diesem System. Louise ist eine wirklich wohlgestaltete Britin, die mal Software verkauft hat und sowohl in Erscheinung als auch stimme die besten Voraussetzungen dafür mitgebracht haben dürfte. Susan dagegen ist deutsche Wahlschweizerin, die so gut Englisch spricht, dass ich nie auf die Idee gekommen wäre, mit ihr Deutsch zu sprechen. Sie wirkt jünger als sie ist, ist geistig ziemlich beweglich und hat früher mal in Berg- und Forstwirtschaft promoviert. Immer wieder bin ich begeistert über die Talente, die hier zusammen kommen.

    Nachdem ich die Standardfragen – Blindheit, Fuß, Familienkonstrukt abgefrühstückt habe, sage ich deutlich, ich verstünde wohl dass man von jemandem, der ein drittes Ohr auf der Stirn trüge, als erstes Wissen wolle, wie lange er es habe, warum und woher und ob es weh tue und natürlich, ob er nun besser höre. Dieser vorgestellte Mensch habe im Hintergrund eine reiche Persönlichkeit, die durch dieses prominente Merkmal oft nicht bemerkt würde. Mein Vergleich bringt mir Sympathie, Verstehen und das helle Lachen zweier Frauen ein. Das Gespräch wendet sich, wie so oft der Sexualität zu. Hier wiederholt sich ein Muster. Die beiden Frauen experimentierten zwar gerne, suchten aber eigentlich eine Partnerschaft mit tiefer Vertrautheit. Für mein Familienkonstrukt bekomme ich ein paar Ohs und Ahs. Ich biete an, die Teller der Lads zu spülen und habe auch hier das Überraschungsmoment auf meiner Seite. „Ein Blinder, der etwas für mich tut.“

    Anschließend mache ich mich auf eine meiner langen, langsamen Wanderungen… Unterwegs nimmt mich Maike in Birgas Elektro-Car mit. Das entweder sehr kurze oder rechts hochgeschlitzte Kleid gibt etwas Bein frei. Sie ist im Termindruck. Ich steige aus und frage mich, ob das früher oder heute diese spontan/animalische Begegnung hätte werden können. Egal. Wenn ich schon keine Frau erobern will, dann eben die Landschaft. Diesen stillen, heiligen Ort.

    Auf meiner Suche nach der Gralsburg/dem Steinkreis versagt das GPS wieder kläglich. Ich versuche es ohne Technik und sperre meine Ohren auf, rieche und taste mit Füßen und Stock. Es öffnet sich kein Weg. Vom Heulen eines einsamen Underdogs weiss ich, wo der Steinkreis liegen müsste und laufe denn noch drum herum. Das Buschwerk öffnet sich nicht. Der heilige Schoß bleibt verschlossen. Du bist zu früh, die hundert Jahre sind nicht um. Dornröschen schläft noch. Das Schößchen in Hößchen. Für Dich gibt’s nur Dornen. Der Aircast wird in seinem Schaumstoff soviel Pflanzenmaterial aufsammeln, dass ich beim Chirurgentermin etwaige Fragen werde beantworten müssen.

    Ich entscheide mich für den Weg, den alle frustrierten Männer wählen, wenn Technik, Intuition und Geduld nicht zum Ziel führen. Mit Louise und Susan sprach ich noch davon. Einige Männer kriegen den Großteil der Frauen ab, der große Rest geht leer aus und wird, um die Frauen und Kinder der Top Dogs zu schützen und wegen seiner Frustration aufhetzbar, als Soldat verheizt. Wenn wir den Krieg beenden wollen, müssen wir, da ist es wieder, dafür sorgen, dass auch die von der Evolution Ausgelesenen Underdogs, die Wärme einer weiblichen Umarmung, die Weichheit der Brüste, die Zärtlichkeit der Lippen und das Umschlossensein im Schoß erfahren können. Andernfalls wird aus ihrer sexuellen Kraft, die steife Ausrichtung eines Gewehrlaufs. Die Männer wiederum könnten, wenn der Konkurrenzkampf weicher würde, Brüderschaft ohne Angst und Eifersucht haben. Das Weib wäre für alle da und der Krieg unter Männern wäre beendet. dazu aber müssten wir etwas in einer „koherenten Gruppe“ etablieren, dass den Gesetzen Darwins grundlegend zu wider liefe. Dawkins beschreibt die Natur in seinem legendären Werk „Das egoistische Gen“ als „Zähne und Klauen, rot wie Blut“. In River out of Eden eröffnet er das vierte Kapitel wie folgt:

    „Die Gesamtmenge an Leid pro Jahr in der natürlichen Welt übersteigt jede anständige Vorstellungskraft. Während der Minute, die ich brauche, um diesen Satz zu schreiben, werden Tausende von Tieren bei lebendigem Leib gefressen, viele andere rennen um ihr Leben, wimmern vor Angst, andere werden langsam von innen durch raspelnde Parasiten verzehrt, Tausende aller Art sterben an Hunger, Durst und Krankheit. Es muss so sein. Wenn es jemals eine Zeit des Überflusses gibt, wird dieser Umstand automatisch zu einem Bevölkerungsanstieg führen, bis der natürliche Zustand von Hunger und Elend wiederhergestellt ist.“ „In einer Welt voller blinder physikalischer Kräfte und genetischer Replikation wird etwas Leid erleiden, etwas wird verletzt werden, etwas wird getötet werden. Und das ist alles. Es gibt keine Absicht dahinter, kein Böses und kein Gutes, nichts als blinde, erbarmungslose Gleichgültigkeit.“

    Diese Passage illustriert die unerbittliche Realität der natürlichen Selektion, wie Dawkins sie beschreibt und macht deutlich, dass wir nicht nur den männlichen Konkurrenzkampf, sondern auch die weibliche Auslese überwinden müssten. Ob Dieter Dawkins gelesen hat? Daneben müssten wir, Dawkins folgend, die Population begrenzen, um den Kampf um Ressourcen unnötig zu machen. Wir müssten weiter, die Gier der Menschen stillen, durch die Erfahrung von Eros, Gemeinschaft, Geborgenheit und Freude. Wir müssten den Kapitalismus überwinden und den Eros von all seinen evolutionären Zwängen befreien, um ihn zu einer revolutionären Kraft zu machen. Junge Männer müssten freiwillig, wer Widersprüche findet, darf sie behalten, mit älteren, verletzten, unfruchtbaren, weniger attraktiven Frauen schlafen. Ebenso müssten Frauen, den Benachteiligten, die sexuelle Befriedigung zu kommen lassen, derer sie bedürfen. Kurz. Wir müssten, ganz freiwillig aus Nächstenliebe vögeln.

    Der Eros in seiner Wildnatur aber ist präzise und gnadenlos. Optisch prüfen Weibchen die Muskelfettverteilung und somit die metabolische und physische Fitness, akustisch wird die Stimme auf Erkrankungen des Atemssystem gescannt, die Nase rastert gerade zum Zeitpunkt der Empfängnisfähigkeit das Imunsystem und schließlich wird im Gespräch geklärt, wieviel Gehirn sich der Mann zu unterhalten leisten kann. Mithin wird sein Jagterfolg deutlich.

    Wenn wir den Krieg durch freie Liebe beenden wöllten, müssten wir Mutti Natur, soviel Bewusstheit und Menschenformung in die Suppe spucken, dass daraus ein kommunitärer Eintopf würde, den zu rühren es einer Menge Kreise bedürfte. Ob die Zeit dafür da wäre, weil man sich entschiede, weniger zu Arbeiten und aus dem kapitalistischen Hamsterrad auszusteigen? Der Erschöpfungszustand mancher Kommunaden und die immer wieder prekäre finanzielle Situation verdeutlichen, welche Kraftanstrengung ein solches Projekt erfordert.

    Ich jedenfalls habe Momentan keine Frau und so schlage ich mich gegen Mutter Natur. Sie gewinnt. Selbst durch aggressive Sturheit bleibt das Buschwerk, wo es ist. Blind, allein, zerkrazt und mit gebrochenem Fuß erkenne ich meine Niederlage an. Ich lasse los. Gebe auf und da erscheint sie. Ein israelisch/arabischer Lockenkopf mit Ausstrahlung und Wärme in der Stimme. Sie zeigt mir den Weg und ich komme… Im Steinkreis an.

    Ich kehre zurück in die Zivilisation und gönne mir nach dem Mittagessen noch Kuchen im Café. Was soll ich sagen? Essen ist der Sex des Alters. Als ich wieder gehen will, treffe ich Rainer, der vor Jahren hier war, sich als Tempeldiener und später als er wieder draußen war, als „männliche Hure“ verdingt hatte, und schließlich treu sorgender Familienvater geworden war. „Küssen?“ Passiert bei freier Liebe nicht. Alte Nuttenregel.“ Na dann, denke ich. Wir sind uns erstaunlich sympathisch. Er fordert mich auf zu einer politischen Auseinandersetzung zwischen Martin und der Frau zu kommen, die neulich im Forum wegen ihrer Äußerungen zur deutschen Kolonialgeschichte abgekanzelt wurde. Mein Interesse hält sich in Grenzen.

    Als ich zurück komme, sitzt eben jene Frau im Gras, die vor einigen Tagen im Kreis davon berichtet hattedass sie ihre ersten fünf Liebesakte, falls diese so genannt werden dürfen mit fünf verschiedenen Männern hatte. Der folgende schmerzhafte Vaginismus mag dazu geführt haben, dass sie die gängige Praxis in Frage stellte. Heute arbeitet sie mit Frauen an der Heilung des weiblichen Schoßraumes. Sie ist schön, wie sie so offen über ihre Gefühle und Sehnsüchte spricht. Ihr Ex-Partner ist jetzt mit meinem Neurographieflirt von gestern zusammen. Und sie wünscht sich nichts mehr als eine tiefe Partnerschaft.

    Im Forum bleibt neben Sarahs Rührung angesichts der vielen Menschen, die ihrer Einladung zur 30 Jahr Feier gefolgt sind, der zweiminütige Beitrag des Vaters der Tochter in Erinnerung, die damals mit ihrer Mutter die Gemeinschaft verlassen hatte. Die Mauer eines 23 jährigen Schweigens bekommt einen kleinen Riss. Wir singen: „Forget your perfect offering. There is a Crack in everything. That’s where the light shines through.“

    Beim Abendessen treffe ich Louise erneut und habe eine wirklich lustige Zeit. insgesamt wird hier alles solange durchgekaut, bis es zum Bewusstseinsbrei wird, den wir Mutter Natur in den Topf spucken. Man sieht sich nicht nur zwei mal. Auch nach Jahren sind die Geschichten von damals relevant und die Kontakte lebendig.

    Als ich nach dem Abwasch allein bleibe, frage ich mich, wie es mir jetzt ginge, hätte ich mit Louise, Susan, Maike, Eleonor und der Frau, deren Identität hier geschützt werden soll, geschlafen. Wäre mein Bewusstsein irgendwie kosmischer? Wäre die Information des heiligen Eros im planetaren Heilungsfeld aktualisiert worden? Trüge das irgendwie zum Weltfrieden bei? Oder wäre ich am Ende leer und unerfüllt, während lauter emotionale Feinheiten vom erotischen Friedenspanzer überrollt worden wären?

  • Tag 7 – Aufräumen für den Frieden

    Ich schlafe lang, weil ich bis vor ein paar Stunden am letzten Blogpost gearbeitet habe. Ich schaffe es denn noch zur sogenannten Matinee. Heisst zwar wie ein Zusammenkommen französischer Prägung, weisst aber deutliche Züge eines „Kirchganges“ auf. Sabine spricht von Gott/dem Göttlichen. Ich habe wenig behalten, auch weil mich der Post von gestern noch beschäftigt hat. Ich will vollständig und auch angemessen in meinen Überlegungen sein.. Soviel sei mit Wohlbehagen festgehalten. Sie weiss um die Fehler, die passiert sind und bemüht sich angemessen um Entschuldigung, Klärung und Frieden. Fühlt sich wie Aufräumen nach einer Party an auf der im Rausch der idealistischen Begeisterung der ein oder andere Drink zuviel oder daneben übber den Tresen gegangen ist. Manches Glas ist ungefallen, andere in Scherben gegangen. Ohne die Anfangsenergie räumt sie ein, wären vielleicht weniger Fehler gemacht worden, man wäre aber sagt sie, wahrscheinlich nicht mehr da. Das kann ich hören. Wo gehobelt wird, da fallen Spähne. Wer nicht wagt, macht keine Fehler. Ich habe keinen Hader mit dem Projekt oder seinen Genossen. Darüberhinaus wird jeder seinen Frieden machen,. Jeder nach seinen Fähigkeiten und Bedürfnissen, könnte man sagen.

    Nach dem Pannel tritt eben jene junge Frau auf, die ich die letzten Tage nicht gesehen habe und der ich vor sieben Jahren begegnet war. Sie bietet einen „thraumasensiblen Raum zur sexuellen Erfahrungen“ an. Mein lieber Herr Gesangsverein. Da hat’s gestern aber gescheppert. Daneben hat, meine Damen, Diversen und Herren geöffnet, die …. Bodega! Also eben jener Liebesraum, in welchem der Eros sich in seiner reinen, ursprünglichen Wildnatur entfalten dürfe. Ferner, Kunst, Cafe, für jeden was dabei. Davor aber erstmal Brunch.

    Die Weggabelung (Bodega oder sexuelle Thraumata) vor der ich mich sehe, könnte nicht deutlicher sein. Hinzu kommt, dass ich nicht weiss, wo das Landhaus liegt, in dem eben jene Scherben aufgelesen werden könnten, sollte damals ein Glas vom Tresen gefallen sein. Ich muss also fragen. Man stelle sich das draußen in der Welt vor. „Können Sie mir sagen, wo der Bahnhof ist?“ Und dann noch… „Wissen Sie, wo ich meine etwaigen, sexuellen Thraumata bearbeiten könnte?“

    Dass solche Dinge hier möglich sind und ohne Schahm und vorgehaltene Hand gefragt werden können, stimmt hoffnungsvoll. Dass sie nötig sind, wirft wenigstens für mich die Frage auf: „Hat das denn sein müssen?“ Überwog der Nutzen der „sexuellen Befreiung“ wirklich die Risiken? Während ich über diese Fragen nachdenke, wird mir klar, dass ich auf den Schultern riesiger, sexueller Revolutionäre stehe. Die Fragen, die sie hatten, sind für uns heutige gratis gelöst worden. Jetzt eilfertige Kritik an den gemachten Fehlern vorzubringen, ist einfach und wohlfeil. Wer nichts tut, macht nichts verkehrt und wir alle lernen aus Expreriment und Fehlschlag. Die Investmentlegende Charlie Munger rät: Aus den Fehlern anderer Leute lernen, ist noch immer am billigsten.

    Ich treffe jemanden, die das selbe Ziel hat und wir verabreden uns, um das Landhaus aufzusuchen. Es wird eine lustige Fahrgemeinschaft. Dass die Gemeinschaft fröhlich und das Angebot niederschwellig ist, bedeutet nun wiederum nicht, dass hier Traumata im Handstreich geheilt werden. Obschon ich so manchmal in den Kreisen den Eindruck habe, als würde das dann und wann erwartet.So ganz nach dem Motto „Jetzt hammas ja besprochen.“

    Bevor es zum Landhaus geht, erst zum See. Noble geht die Welt zu Grunde. Und siehe da. Ich treffe jene junge Frau, die ich bisher vergeblich gesucht habe. Ich sage ihr ziemlich direkt, dass ich wegen damals gerne mit ihr sprechen würde und sie freut sich. Erstens mich zu sehen und zweitens über mein Angebot. Auch dies kurz in der Main Stream Gesellschaft. Ich laufe Dir nach dem Brunch übern Weg und sage: „Hey! Damals bei unserer sexuellen Begegnung sind für mich Fragen offen geblieben.“ Und Du sagst: „Klar lass uns auf einen Kaffee treffen.

    Wie dem auch sei, die Qualität der Begegnung überzeugt mich davon, dass andere den Thraumaspace eher brauchen als sie und ich. Am Ende des Tages entsprach ja unsere körperliche Begegnung einfach nur nicht dem menschlichen Interesse, dass ich für sie spürte. Ich wollte sie kennenlernen und habe mit ihr geschlafen. Diese beiden Ebenen sind hier auf eine Weise entflochten, wenn auch beide möglich, die halt mir nicht entspricht. Ich will Bindung und Vertrautheit wenn und auch meist bevor ich mit jemandem körperlich intim werde. Hier muss das eine nicht mit dem anderen einher gehen. Kann es aber. Ich treffe also die Entscheidung, den Kreis zu schließen und lasse das Thraumalandhaus für die Bodega sausen. Leute! Dass muss festgehalten werden. Landhaus, See, Aula und eine Bodega wo neben Wein und Gesang auch das Weib genossen werden kann, stellen schon eine ziemlich extravagante Form sozialistischen Reichtums dar. Ich fühle mich in diesem Augenblick wirklich fern von Verurteilung. Ich spüre einfach, dass ich keinen wirklichen Bedarf verspüre. Mein Ausflug in die Bodega gerät sodann auch zu einer eher ruhigen, meditativ beobachtenden Veranstaltung, die aber, soviel sei bezeugt, durch einen Tanz mit einer wirklich attraktiven Frau geschmückt werden wird.

    Der Tanz wird mir klar, ist einfach der öffentlich beobachtete, Safespace in dem Grenzen gecheckt und nach nonverbaler Übereinkunft überschritten werden können, den die Main Stream Gesellschaft braucht, um den Liebesakt in klaren Schutzgrenzen erleben zu können. Hier könnte man wahrscheinlich auch einfach nach Sex fragen. Beim Tanz wird klar, ob Anziehung wechselseitig vorhanden ist und beide Parteien können den „Aushandlungsprozess“ jeder Zeit beenden. Daneben ist die Tanzfläche natürlich auch eine Art Marktplatz mit verschiedenen Angeboten, Nachfragen und sogar begrenztem „Optionshandel“. Natürlich macht Tanzen auch einfach Freude.

    Zwei Veränderungen fallen auf. Während die Frauen, welche den „sozialistisch/revolutionären Edelpuff“ leiten, die selben sind, gibt es keine „Tempeldienerinnen“ mehr. Mann muss jetzt selber baggern oder sich einfach vorher schon mit einer in diesem Fall häufiger altgedienten Genossin verabredet haben. Hier sind einfach Freunde und Weggefärten in schöner Umgebung dabei, sich oft nach Jahren wieder erotisch zu begegnen. Und dann ist der Bereich zum Treffen klar vom Bereich zum Vögeln getrennt. Damals war alles offen. Auch hier eine weitere Maßnahme, um Menschen zu schützen? Ich fühle einen tiefen Frieden und eine sexuelle Erfülltheit ohne tatsächlich Sex zu haben. Es ist als wäre meine sexuelle Frage in diesem Moment einfach gelöst. Keine Fragen mehr Eure hochverehrte Weiblichkeit.

    Die Raumhalterin beobachte ich, ist lange damit beschäftigt, einer jungen Frau die Wichtigkeit und auch die Akzeptanz des klaren, körperlich empfundenen „Jas“ und „Neins“ nahe zu bringen und abermals stellt sich jene Zufriedenheit bei mir ein, die sich einstellt, wenn man wenn auch als nicht wirklich Betroffener bezeugen darf, dass Fehler ernst genommen werden, um daraus zu lernen. Die Tempellleiterin verstehe ich, liebt diesen Ort, sie lobt gerade den Sex, der in einer halben Stunde auf den Punkt geschieht. Während einerseits für jeden ein Raum da sein sollte, öffnet sie auch die Möglichkeit, dass „es mal länger dauern“ könnte. Ob neben leckeren Getränken, dann auch Snickers gereicht werden? Kondome jedenfalls sind und waren stets vorhanden.

    Nach zwei Stunden Liebestempel ohne Sex begebe ich mich auf eine langsame, lange Wanderung. Die Natur iSt wunderschön und abermals stellt sich Frieden ein.

    In der folgenden Gruppe verstört mich die Geschichte einer Frau, die vor Jahren zum entscheidenden Zeitpunkt mit drei verschiedenen Männern intim war und lange Zeit nicht wusste, wer der Vater ihres Kindes war. Während das für die Frau, die dann die Gemeinschaft verliess schwierig gewesen sein muss, will ich mir lieber nicht vorstellen, was es für die Identität des Kindes bedeutet, zu wissen, dass es nicht wichtig genug warob sie nun auf die Welt kommt oder nicht, um sauber zu verhüten. Einmal mehr geistern die 12 Kinder Otto Mühls durch meinen Kopf, die auf sogenannten „Ficklisten“ gezeugt wurden. Ganz deutlich will ich hier sagen, dass Mühl nie Teil der Gemeinschaft war. Duhm und Mühl kannten sich aber und die Abgrenzung die heute beteuert wird, war damals eher so eindeutig, wie die Hubert Eiwangers von der Naziideologie. Zurück bleibt für mich eine gewisse Traurigkeit.

    Nach dem Abendessen versuche ich mich in einem unschuldigen Flirt mit einer attraktiven Frau. Am Ende des Tages liegt meine Hand auf ihrerwährend wir versuchen heraus zu finden, ob ich mit ihrer Hilfe ein neurographisches Bild erzeugen kann. Es besteht noch Hoffnung aber andererseits ist meine Fähigkeit zum Flirt ungefähr so wichtig, wie die Neuronen für Vogelgesang, wenn der Frühling rum ist. Ich habe zwei Beziehungen, bin zehn Jahre älter als diese Frau und habe vier Kinder. Gut. Verbuchen wir das einfach als schöne Begegnung und als Fingerübung mit einer Filsstiftfarbpalette.

    Ihr Freund kommt und ich lasse die jungen Leute ziehen. Der Abend geht zur Neige und ich fühle mich etwas einsam.

  • Tag 6 – Zen, Apokalypse und der Tanz des Lebens

    Schon früh war ich auf den Beinen und dachte den sonnenaufgang im Steinkreis zu erleben. Doch es öffnete sich kein Weg. Ich fand die Abzweigung nicht, das GPS war widersprüchlich und so wurde aus meiner Steinkreismeditation eine Gehmeditation bis zum Frühstück. Das ließ ich mir nicht entgehen.

    Nach dem Frühstück entschied ich mich gegen die Wanderung. Wer nicht will, der hat schon und half beim Marmelademachen. Das hatte den Nebeneffekt, dass Meisterkoch Pan mit in die Geheimnisse echten Saitans und guter Brauner Soße einweihte. Ich benutze die Zeit bis zum Mittagessen, um die Rückreise zu planen, Wäsche unter der Dusche zu waschen und ein paar Telefongespräche zu führen. „Wasser tragen und Holz holen.“, wie man im Zen so sagt. Das Mittagessen und die Zeit im Cafe brachte ich mit relativ interessanten Gesprächen zu, was dazu führte, dass ich dem nassen Element in seiner wilden Form untreu blieb und nicht in den See hüfte, aber da waren sie ja mit Singen beschäftig.

    Es hätte ein ruhiger Nachmittag werden können. Ich hätte nur verweigern müssen. Aber ich ging hin. Stellt Euch vor es wäre Forum und keiner ginge hin. Wie entspannt das doch wäre…

    Triffst Du den Dieter auf Deinem Weg, erschlage ihn, um ein altes Sprichwort aus dem Zen abzuwandeln. Dem charismatischen alten Herrn, will man doch nichts zu Leide tun, oder doch?

    Im Forum gab es Prügel. Nicht für Dieter, der ja aus Krankheitsgründen revolutionsunfähig zu Hause blieb, sondern für das Projekt ganz allgemein.

    Das griechische Wort „Apokalypse“ bezeichnet dem Sinn nach das Hinfortnehmen eines die Wahrheit verdeckenden Schleiers. Mehr nicht und weniger nicht. Es war also Zeit für Offenbarung, auch wenn hier Johannes keine Rolle spielte und auch sonst alles eher unspektakulär von statten ging.

    Die Hauptkritikpunkte waren:

    • fehlende Akzeptanz von zweier Beziehungen
    • – Struktureller Druck zum Vollzug von sexuellen Handlungen.
    • – Mangelne Wertschätzung für die Entfaltung des Individuums zu Gunsten der kollektiven Erfordernisse
    • – Hierarchie und Mangel an Raum zum Ausdruck von Widerständen

    • All das schreibe ich nicht auf aus Schadenfreude, Rechthaberei oder aus dem Wunsch Schaden anzurichten. Ich will nur ein paar grundlegende Gedanken zur historischen Kontinuität von Adolf Hitler über Otto Mühl bis hin zu der quasi totalitären Ideologie der globalen Heilungsbiotope aufzeigen. Das Argument lautet in etwa wie folgt:
    • Im Versuch alle totalitaristischen, autoritären und gewaltsamen Elemente der Nazi-Ideologie mit Vehemenz los zu werden, hat man einen Schatten mitgeschleppt, den man offenbar durch noch so viel Forum nicht vollständig hat auflösen können. Autoritär deshalb, weil die Hierarchie Kritik eher verunmöglicht. Totalitär deshalb, weil die Lösung der sexuellen Frage, als Lösung für alle und jeden verstanden wird. Gewaltsam deshalb, weil ein System entstand, dass Frauen und Männer motiviert hat, über ihre eigenen Grenzen zu gehen.
    • Von den Soldaten der Wehrmacht über die geschorenen, Teils entwürdigten Kommunaden Otto Mühls, führt eine Kontinuität bis hin zu den Genossen, die alles zur Heilung der Welt haben tun wollen. Am duhmschen Wesen soll die Welt genesen. Sie ist nämlich krank und braucht Medizin. Starke Medizin. Den freien Eros. „Wollt Ihr die totale Liebe? Wollt Ihr sie wenn nötig noch totaler als total?“
    • Rutger Bregman führt in seinem Buch „Im Grunde gut“ aus, wie der Mensch sich selbst, als soziales Wesen auf Verträglichkeit hin selektiert hat. In einer nomadisch und vielleicht matriarchal lebenden Gruppe wurden die Grobiane tendenziell nicht mit Liebe bedacht und hatten weniger Nachkommen. Zeugnis davon legen unsere relativ schmalen Wangenknochen, die verletzliche Stirn etc. ab. Der Neandertaler war robuster, klüger, stärker. Er hatte ein größeres Gehirn. Aber… Er könnte unsozial gewesen sein. Homo Sapiens war darauf bedacht, größere Gruppen koherent zu gestalten und konditionierte deren Mitglieder über Jahrtausende zur Kooperation und Verträglichkeit.
    • Diese vordergründig positive Eigenschaft sorgt nicht nur für ein angenehmes Miteinander, sondern manchmal auch dafür, dass Individuen die Erwartungen, ausgesprochen oder nicht, der Gruppe erfüllen. Wir wollen den andern und dem Führer gefallen. In sofern der Führer im Soldatenrock oder lungi ein Rollenmodell ist, wollen wir sogar sein wie er.
    • Wenn nun der Führer verkündet, der Eros sei eben diese heilige Kraft, die wenn befreit, den tausendjährigen Frieden einleutet, dann haben die Mitglieder der ersten Keimzelle dieser planetaren Heilung eben sex. Mehrmals am Tag, mit verschiedenen Partnern. Vielleicht auch ob sie nun wirklich wollen oder nicht.
    • Im heutigen Forum legten entspprechend MännerZeugnis davon ab, dass sie Frauen penetrierten, obschon sie spürten, dass dies gerade eine Handlung frei von Liebe war. Wir könnten den Vergleich der Vergewaltigung als Kriegswaffe ziehen.
    • Frauen wiederum gaben an, sie haben ohne Unterschied und ohne dass „wann“ und das „wer“ zu klären mit Männern geschlafen. Es sind immer die Frauen, die feminine Genitalverstümmelung exekutieren. So sagte heute jemand, es handle sich um eine von Frauen exekutierte männlich geprägte Ideologie.
    • All dies geschah in bester Absicht und für den „Endsieg“ über die Gewalt. Für eine Welt ohne Krieg. Im Namen aller Kreatur. Es müssen Opfer gebracht werden…
    • Nochmal…. Im Versuch den Krieg, den Autoritarismus und die strukturelle Gewalt los zu werden, hat man sich einen Schatten eingefangen, der die selben Phänomene in neuer Gestalt hervorgebracht hat. All das geschieht, weil Menschen verträglich sein wollen, um dazu zu gehören.
    • Ayda kritisierte die „moralische Verletzung“ die entsteht, wenn wir dem Genozid hilflos zu schauen und nichts tun können. Wir flüchten in Rationalisierung, Verweigerung oder Apathie, um den Schmerz nicht mehr spüren zu müssen.
    • Sieben Jahre ist es her. Ich lag bei einer Frau, welche von der Gemeinschaft die Aufgabe übertragen bekommen hatte, halbstündlich mit jeweils anderen Männern zu schlafen. Sie war alkoholisiert und ansonsten eher passiv. Ich fühlte, dass hier etwas falsch war, obschon ich sie als Mensch mochte. Die Begegnung hatte keine Tiefe und war etwas seicht. Wichtiger aber finde ich jetzt in der Rückschau, dass sie zu einer „moralischen Verletzung“ geführt haben könnte, indem beide Seiten aufgrund der Rahmenbedingungen nicht gut in der Lage gewesen sein könnten, ihre Gefühle wahrzunehmen und „nein“ zu sagen. Ich Denke nicht, dass diese Begegnung „schlimm“ war. Ich möchte es aber auch nicht denken. Schließlich ging es doch um … Ja richtig Liebe. Und das kann und darf doch per Definition nicht falsch gewesen sein!
    • Natürlich könnte man Störgefühle im Forum zum Ausdruck bringen. Aber wäre man damals in den alten Tagen in der Hierarchie aufgestiegen? Wäre man näher herangerückt an die 1942 geborene Manifestation des göttlichen Lichts, wie Dieter erst gestern genannt worden ist?
    • All das klingt schlimmer, als es wahrscheinlich ist. Das Problem ist nicht das Ausmaß der strukturellen Vergewaltigung von Frauen. Das Problem ist auch wahrscheinlich nicht das Ausmaß in dem Männer in die Rolle all Zeit bereiter Erossoldaten gedrängt wurden, um gruppenverträglich zu sein. Das Problem ist, dass wir eben dieses Ausmaß aufgrund seiner schattenhaften Natur nicht vollständig kennen können.
    • In dem Maße, wie Tamera externe Berater hinzu zieht und einräumt, nicht über „die Wahrheit“ zu verfügen, hört ein wundervolles Projekt auf, ein totalitäres System zu sein. In dem Maße, wie verschiedene Formen der Liebe lebbar und möglich werden, hört das Projekt auf psychologisch und moralisch verletzend zu sein. Unbenommen ist auch, dass sowohl Weib wie Mann Freude an freier Liebe haben können, nicht aber „müssen“. Dieses Wort aber hörte man im Kontext der politischen Aktivitäten des Projektes all zu häufig und wir erinnern uns: „Das intime ist politisch und das politische intim.“ Sind wir sicher, dass der „unbedingte Siegeswille“ das unbekannte Land zwischen Mann und Frau nicht in ein „Killing Field“ verwandelt hat, auf welchem vor allem und zu erst die Wahrheit gestorben ist? Glaubten wir wirklich wir hätten den Schatten der Mühls und Hitlers dieser Welt in drei Jahren abgeschüttelt?
    • Kontakt, Vertrauen und Solidarität sind gerade Anfangs zarte Pflanzen, die nur da gedeihen, wo Ideologie nicht Forderungen an die Begegnung zwischen Menschen stellt. Befreien wir den Eros nicht nur von Angst und Eifersucht, sondern auch von Balast überzogener Erwartung und politischer Ambition. Wohlmöglich entstünde dann eben jene so oft beschworene „Koherente erste Gruppe“, welche in Wahrhaftigkeit versprechen könnte, einander nicht mehr zu verlassen. Und möglicherweise wäre eben jene Gruppe fähig ein Modell der Gewaltlosigkeit und Wahrheit zu sein, von dem die Welt lernen könnte, nicht muss.

    Ich kann nicht genug betonen, wie inspirierend ich viele Aspekte Tameras finde. Nicht mal wöllte ich behaupten, freie Liebe sei per se böse. Böse wird sie, wenn sie zur Weltrettung einer notwendigen, bittren Medizin gleich, „verordnet“ wird. Das Charisma des Führers ist nicht böse. Erstickt aber der Wunsch der Jünger nach Frieden und Koherenz die Möglichkeit von Widerspruch und Kritik, so wird das göttliche Licht zur irrlichternden Verführung. Noch gestern gab Dieter an, er sei sein Leben lang nicht eifersüchtig gewesen. Wir wollen ihm glauben. Müssen wir aber alle ebenso werden wie er, weil er uns ein Licht entzündet hat und dieses Licht immer noch in bester Absicht trägt? Und ebenso wesentlich, darf er Mensch sein, fehlbar, halb sich seiner selbst bewusst, stolpernd, scheiternd und immer besser scheiternd?

    Noch einmal. Im Dienst der Wärme, für alles was Haut und Fell hat. Im Namen von Mann und Weib. Und sie erkannten sich und beendeten den Krieg in ihren Herzen und als sie den Krieg gegen den Krieg beendet hatten, als sie auch den Krieg lieben konnten, da endlich vermochten sie einander zu lieben, frei, lustvoll, achtsam und in ruhiger Langsamkeit, einander Freude schenkend, für einander sorgend, wie Eltern für ihre Kinder sorgen.

    Es gäbe einen Weg. Wenn wir das „Böse“ liebten. Wenn wir auch diese Wahrheit frei von inneren Krieg akzeptieren könnten, dann könnte nicht muss, Frieden zwischen den Geschlechtern sein. Und wenn kein Krieg gegen den Krieg mehr in den Herzen wäre und deshalb die Liebe frei wäre, nicht nur frei von Angst und Eifersucht, sondern frei von politischen Ansprüchen, dann vielleicht könnten Frieden und Liebe ausstrahlen und ganz allmählich die Welt erfüllen. Es geschähe nicht in drei Jahren und vielleicht niemals. Ob die Liebe stärker ist, als die Gewalt können wir nicht sicher wissen, wohl aber hoffen, darauf vertrauen und eben … lieben.

  • Tag 5 – Meeting the Guru

    Ich liege im Bett und will nicht aufstehen. Nichts, was da heute auf dem Programm steht inspiriert mich. Die Blase allerdings läßt sich von meiner latent depressiven Stimmung nicht anstecken. Sie schafft eine Vision für die ganze Gemeinschaft meiner Organsysteme und Körperteile. Sie alle wirken zusammen, für einen Körper ohne Druck. Im Dienste der Wachheit…

    Das Frühstück verläuft erfreulich, denn ich treffe sowohl die deutsche Ajda mit den vielen Namen, als auch Miguel mit den wenigen Worten wieder. Zusammen ergibt das eine Mischung von Freude und Weite, die mich das nächste Israel- Palästina Pannel wird ertragen lassen. Ich freue mich einfach, Menschen wieder zu treffen, von ihnen erkannt zu werden und sie wieder zu erkennnen. Vertrautheit. Vertrauen, Kontakt, Solidarität. „Und sie erkannten sich – Das Ende der sexuellen Gewalt“ So ein Buchtitel von Sabine und Dieter. Ich ahne, was das bedeuten könnte.

    In der Morgenveranstaltung entschuldigt sich Martin für seine heftige Reaktion von gestern, nur um gleich nachzulegen und nochmal zu bestätigen, er habe inhaltlich recht. Hier wäre der Punkt gewesen, die Frau von gestern nochmal in die Mitte zu holen denke ich, muss aber hinzufügen, dass es gestern noch einen Kreis zur Nachberbeitung des Kreises gegeben hat. Wem bei all diesen Kreisen schwindlich würde, der wäre jedenfalls bei mir in guter Gesellschaft. Und auch wer meinte, es könne vorkommen, dass man nicht voran komme, bei all den Kreisen, auch dem gäbe ich meine Zustimmung. Also… Mehr Palästina, mehr Ayda und weniger Uri. Schließlich ruft Ayda zum Kampf, wenn auch gewaltfrei. Egal. Am Ende dieses Pannels erreicht mein Deprimeter den orangeroten Bereich. Jetzt noch Kleingruppe? Ernsthaft. Meine Töchter würden schlicht sagen: „OMG als ob!“

    Ich überwinde mich und die Beiträge sind tatsächlich in ihrer Vielschichtigkeit schwer wieder zu geben. Im Gedächtnis bleibt Freya, die früher die Pferde gemacht hat. Eine schöne, stille Frau, die mir schon vor sieben Jahren aufgefallen war. Sie lebt nicht mehr hier. Liebe sagt sie, sei verschieden, Menschen Individuen und nicht alle erfüllten die hohen Ansprüche des kollektiven Dogmas. Uff…

    Bei Mittagessen sitze ich mit Martin und Alex zusammen und quatsche über die Börse und Cryptotrading. Endlich mal was produktives und überhaupt… Alex hat mit seinen 60 Jahren diverse Firmen gekauft, großgezogen und auch dann und wann wohl vor die Wand gefahren, wie er erzählt. Trading mache er eigentlich wegen der Selbsterfahrung mit Gewinn und Verlust und ansonsten, scheint er finanziell frei auf Malle zu residieren. Depression gibt’s halt auf unterschiedlichem Niveau. Das aber war sein Wort, nicht meines. Gleichzeitig … Wirkt der Mann inspirierend und fröhlich. Na, man schaut ihm halt nur vor den Kopf. Er lädt mich ins Cafe ein, aber ich brauche eher kühles Nass, als veganen Kuchen.

    Und so verbringe ich die Zeit am See. Und…. Tatsächlich! Zwei junge Menschen differierenden Geschlechts, die … Oh, mein Gott! Beim heiligen Eros! Vorsichtig flirten.

    Dem Rhythmus folgend… Gibt’s mal wieder den 16 Uhr Kreis und für den Chor haben sie hier immer noch eine goldene Schallplatte verdient meine ich. Dann aber… Kommt er auf die Bühne. Angekündigt als das göttliche Licht, welches sich selbstverständlich in jedem von uns manifestiert, wird er immer noch mit seinem nicht bürgerlichen Rufnamen Delon angesprochen.

    Die Stimme brüchig, die Jahreszahlen eher großzügig schätzend als präzise rechnend, wirkt er anfangs noch etwas unsortiert. Doch mit jedem Satz den er spricht ist ein Feuer unverkennbar und trotz eines geschwächten Körpers und eines um Klarheit kämpfenden Geistes ungebrochen. Dieser Mann mag die 80 Jahre geknackt haben, die Inspiration, die ihn seit 1976 getragen hat, ist trotz langer Krankheit das erhebenste, was ich in diesen vier Tagen erleben darf. Da sitzt sie, die Liebe fürs Leben, den Eros, die heilige Matrix und eine Erde frei von Gewalt, Angst und Eifersucht, man nimmt es ihm irgendwie ab. Um so deutlicher drängt sich ein Gedanke in den Vordergrund meines Bewusstseins.

    Wo ist der Eros? Am See habe ich zwei Menschen flirten sehen. Aber sonst? Ich kaue die Frage herum und dann halte ich das Mikro in der Hand und Frage: „Mystische Erlebnisse und der Eros verblassen im Alltag. Was kann man tun?“

    Dieters Antwort von Liebe getragen, wohl aber mit etwas Humor und Ironie gewürzt, klingt so simpel wie einleuchtend. „Ihr müsstet es einfach tun.“ Jemand will wissen, wie eine „koherente Gruppe“ von 30 Leuten Realität werden könne. Und seine Antwort lautet ähnlich. Ein halbes Jahr unbedingter Hingabe und klarer Solidarität für einander. Ich paraphrasiere hier. Am Ende wird gesungen und die Leute stehen und wippen mit. Insgesamt fühlt sich das alles leichter an.

    Dieser Mann hat tatsächlich eine religiöse Tiefe. Der Kontrast zum tränenschweren Herumrühren der letzten Tage könnte nicht schmerzhafter und erhebender zu gleich sein.

    Nach der Veranstaltung weiss ich wo ich hingehöre. Der Steinkreis. Ich bin – warum eigentlich? – allein. Alles schweigt. Die Sonne brennt mir ins Gesicht. Die Hitze des Steins läßt mich noch das letzte Bisschen Palästinajammern ausschwitzen und dann wird es still. Was ist zu tun? Wo ist meine Aufgabe für die nächsten Jahre. Die Vögel, Grillen und sonstigen Tiere machen aus diesem kargen Stück Land etwas anderes als eine Wüste. Für mich aber ist es ein Wüstenmoment.

    Treu und pünktlich beim Abendessen habe ich ein Gespräch, dass ich gerade kaum erinnere. Danach schleiche ich unschlüssig über den Campus. Hundesanktuarium verpasst, wilde Party im Nachbartal in Sachen Fuß keine gute Idee und gerade sowieso nicht mein Ding. Also… Schleiche ich ohne große Lust auf weiteren menschlichen Kontakt an der Bar vorbei. Und ja richtig. Da sind sie wieder und haben lauter Fragen. Ich könnte einfach Stunden lang mit den Kindern hier sprechen. Dann aber höre ich Bruno weinen und obwohl er ständig von seiner Großmutter weg getragen wird, führen mich meine Schritte zu seiner Mutter. Wenig später sitze ich mit drei Generationen inklusive dem sieben Monate alten Bruno am Tisch. Die Großeltern Ulrike und Gottfried. Zwei der fünf Kinder leben hier und eben Frau und Bruno. Der Abend wird sowohl lustig als auch intereessant und Gottfried ist einer der inspirierensten älteren Herren, die ich getroffen habe.

    Er begleitet mich noch Richtung zu Hause und ich kehre Heim mit einem zutiefst zufriedenem inneren Kind, das erleben durfte, dass es gesunde, intakte Familien in Tamera gibt und geben kann/darf. Und wie sagte Gottfried so schön. Wir sind seit 54 Jahren verheiratet. Wir haben unsere Beziehung geöffnet, aber das ist gerade nicht sehr relevant. Amen.

  • Tag 4 – Pilgern gegen den Genozid

    Ich wache früh auf an diesem Tag und denke darüber nach den Sonnenaufgang im Steinkreis zu erleben. Das tue ich solange, bis die Sonne aufgeht. Denken ist wie tatsächlich tun, nur langsamer. Ich stehe trotzdem auf und nehme mir vor, den Steinkreis auf eigene Faust zu finden. Mein Handy sagt ich umkreise den Steinkreis, statt darauf zu zu laufen, bis ich irgendwann aus der Kurve fliege, nein laufe und plötzlich denke ich, ich seh‘ ’nen Pferd. Nein zwei und eigentlich auch hören. Langsam komme ich auf die beiden zu und schließlich darf ich eins über Nase und Stirn streicheln. Uns trennt kein Zaun, nur ein Elektrozaun, den die beiden leicht überspringen könnten, wenn sie wollten. Die aber bleiben in der Vormittagswärme stehen und bewegen sich nur soviel wie gerade nötig.

    Ich laufe weiter zum Akron. hier wohnen Teile des inneren Zirkels. Ich schmeisse einen GPS-Brotkrumen in die Landschaft und will gerade wieder gehen, da treffe ich Majana, die ich vor Jahren bei meinem Vater traf. Es gibt sie, diese alten Verbindungen. So jung denke ich, kommen wir nicht mehr zusammen. Letztes mal, waren wir jedenfalls beide noch jünger. Wir wechseln ein paar Worte, dann verabschiede ich mich und versuche Durst und Hitze zu entkommen.

    Gerade noch rechtzeitig schaffe ich es zur Aula. Hier werden vier Menschen aus der Gemeinschaft berichten und ein Problem benennen, das wohl früher schon zu Spannungen geführt haben muss. Viele Menschen haben, so berichten diese vier mutigen Menschen, die Gemeinschaft verlassen, oder zögen sich ins Private zurück, auch wenn sie innnerhalb der Gemeinschaft lebten. Schließlich sagt Benjamin er habe sich als Vater oft allein gefühlt. Alles eine Frage der Perspektive und der sonstigen Ansprüche denke ich. Wie schwer es ist, neben der Pflege des Landes und der Kinder die Welt vom Frieden zu überzeugen, wird sich später zeigen.

    Das Mittagessen verläuft in gewohnten Bahnen. Ungewohnt dagegen ist, dass ich eine Einladung zu einem ganz versteckten Badeteich bekomme, wo ich den Nachmittag verbringe. In der Zwischenzeit lerne ich ein paar weitere Kinder kennen und muss wirklich sagen: „Chapeau. Di sind toll geworden.“

    Schließlich kommt, was kommen muss, der global denglisch white leftist circle und… Jepp. Israel/Palästina oder links herum verkürzt: „Völkermord“. Richtig aber auch nur eine Seite der Wahrheit. Denn könnte die Hamas sie würde den Staat Israel vernichten. Vielleicht stelle ich mich morgen damit in die Mitte. Heute aber, lässt jemand anderes sich für eine ungeschickte Relativierung der deutschen Kolonialzeit in Namibia steinigen. Gut, was das mit dem Thema zu tun hat, ist mir zu diesem Zeitpunkt unklar, das aber haben wir in dieser Runde auch nicht mehr erfahren könnnen. Dass direkt betroffene überreagieren verstehe ich, dass andere gleich einem Schlachtruf „Not in my name!“, grölen, um sich in Lager der Genozidverurteiler zu verorten… Nu ja. Man tut kund‘ sich einem Friedensmarsch nach Gaza anschließen zu wollen und die Welt ist gleich in mehrfacher Hinsicht nicht in Ordnung. Noch Abends in der Bar wird man über diesen Zusammenstoß reden.

    Ich aber bleibe vor dem Abendessen für mich und treffe mehr zufällig einen wirklich spannenden Gesprächspartner. Wenn man im gegenwärtigen Augenblick bliebe, könnten Antworten aus dem Herzen entstehen, die man im Diskurs nicht finden könne. Miguel aus Belgien stammend, hat in England und Portugal gelebt und spricht als hätte er Thich Nath Hanh selbst verspeist. Die wohl inspirierenste Begegnung bislang.

    Beim Essen treffe ich Robert. Der mir alles über körperzentrierte Gartenwerkzeuge und Tiny Gardening erzählt. Ich fühle mich etwas wie Ali im Wunderland, bin aber dankbar, dass er mich mitnimmt in die Welt eines Bauern, der auf wechselnde Niederschlagsmengen ebenso reagieren muss, wie auf deutlich schwankende Angebote von Arbeitskräften.

    In der Bar ermutige ich eine wirklich nette Dame zum Thema Makuladegeneration und Blindheit im Allgemeinen. Wenn es das ist, was ich der Welt gerade jetzt geben kann.

    Zufrieden suche ich meinen Heimweg, schreibe und lege mich beim Rauschen eines Lüfters und großer Hitze schlafen.

    man Beim Essen

  • Tag 3 – Im Dienste der Wärme …

    Abends war es warm, Nachts war mir kalt. Deshalb war an diesem Tag die erste Frage: „Wieviel Hülle brauche und will ich?“ Mit „Hülle denke ich, kann nicht nur Kleidung gemeint sein, sondern alles, was ich meinem Körper oder Selbstbild an Schichten hinzufügen, die nicht Teil des nackten Jetzts sind. „Ich bin…“, sind oft Aussagen über mich selbst. Ich selbst wäre auch, ohne dass drauf hingewiesen, erklärt oder behauptet werden müsste.

    Ich entscheide mich für zwei Schichten Stoff, einen Buddha-Anhänger, einen Ring, einen Stock, ein iPhone, eine Sandale und einen Aircast. Lieber wäre mir barfuß im Tai Chi Dress. Aber der Fuß! Auch die zweite Bowl Frühstück fühle ich, ist eine Schicht drüber, zu viel des sehr leckeren.

    Anschließend also Treffen in der Aula. Und hier sagt sie ihn, den Satz, der mich her gebracht hat, der mich immer wieder festhält. Er könnte lauten: „Zum Wohle aller Wesen.“, das Wäre buddhistisch/abstrakt. Hier wird’s körperlicher: „Im Dienste der Wärme, für alles was Haut und Fell (Federn und Schuppen, Chitinpanzer und Exoskellette hat). Nein, Scherz beiseite.

    „Im Dienste der Wärme für alles, was Haut und Fell hat. Im Namen aller Kreatur.“ So stand es damals vor fast 40 Jahren an der Hauswand der damals noch kleinen Gemeinschaft und die Bemühung um diese Solidarität mit allen Geschöpfen ist auch jetzt spürbar.

    Das zweite Lied, das angestimmt wird ist irgendwas mit Home, Heart, Song, Voice. Jedenfalls zu Hause und Zugehörigkeit und ich fühle, erstens, dass ich hier nicht zu Haus bin und zweitens, dass das für andere seit Dekaden funktioniert.

    Danach gibt’s Kleingruppen uein kurzes „Wer bist Du“. Jetzt in diesem Moment. Und da ist es wieder. Wieviel Hülle, Maske und Schutzbehauptung behalte ich und wieviel Verletzbarkeit kann ich im Vertrauen zulassen? Abrüstung ist das Stichwort. Was, wenn ich mich zeige in meinem Bedürfnis nach Verbundenheit und Zugehörigkeit? Was, wenn ich das Bedürfnis nach Wasser, Nahrung und medizinischer Grundversorgung an mich heranlasse? Würde ich dann andere Entscheidungen treffen, über die Operation in Gaza, der Ostukraine oder in Indien!,Pakistan? Könnte es sein, dass wenige Menschen einen Modellversuch wagen in ehrlichem Kontakt, Vertrauen und Solidarität und so eine Ausstrahlung haben könnten auf die größere, gar planetare Gemeinschaft? Bin eher in der Lage Frieden zu halten, wenn ich befriedigt bin? Wenn Liebe nichts mehr wäre, dass eifersüchtig verteidigt und ängstlich versteckt werden müsste?

    Nach der Gruppe jedenfalls fühle ich mich allein und fehl am Platz. Was mache ich hier eigentlich? Ich beschließe einen kleines Risiko einzugehen und schleiche mich nach dem Mittagessen in die Küche, wo der Abwasch wartet. „Ich bin zwar nicht eingetragen, sage ich zu Kevin, aber wenn er mir die Abläufe zeigen würde, wäre ich froh etwas beitragen zu dürfen. Und… Tatsächlich aus vertrauensvoller Verletzbarkeit wird Verbindung und mit jedem Teller, den ich trockne, weicht die kleine, harte Kugel der Selbstbezogenheit ein wenig weiter auf.

    Danach habe ich mir den See verdient und ich begeistere zwei Frauen für ein spontanes Bad. Bald ist es Zeit für den großen Kreis am Nachmittag. Wer Beziehung will muss reden und wenn viele teilhaben sollen, geht das am besten im Kreis. Einer in die Mitte und schon wird das Thema des einen, Information für 100 Menschen. Dankbarkeit, Schmerz, die Erfahrung von Sexualität zu dritt, all das darf hier reflektiert, dargestellt oder schlicht geteilt werden. Allerdings nur verbal. Die Zeiten der Performances sind eher vorbei. Es hätte ein ruhiger Forumsnachmittag werden können, wenn nicht die schöne und unglaublich leidenschaftliche Ayda neben mir gesessen hätte. Heute aber, macht sie kein sexuelles Angebot und ruft nicht zu leckerem Essen, sie steht stattdessen einfach da und erklärt unter Tränen, dass sie kaum mit Menschen sprechen kann. Zu nahe sind ihr das Leid in Gaza und diese schöne Frau wirkt einfach traurig und ihr Freund wird mein Gefühl .später bestätigen, in gewisser Hinsicht gebrochen. Als sie sich wieder setzt, berühre ich sie sanft an der Schulter. Keine Reaktion. Ihr Freund fragt, wer ich bin und da erkennt auch Ayda mich. Plötzlich ist sie wieder da und ich frage nach ihrer Tochter. Die inzwischen in Berlin lebt. Das denke ich, ist eher Trost als alles, was ich sagen könnte und ich kann als Vater fühlen, wie sie als Mutter ein wenig Kraft aus der Tatsache schöpft, dass wenigstens ihre Tochter nicht unterernährt oder versehrt ist, sondern selbstbewusst ihren Weg sucht.

    Vielleicht sind Menschen wie Neuronen und da, wo sie in offenen Dialog treten, da ist es, als pflanzte sich eine Information von einem Ende durch das ganze Netzwerk fort, bis alle eben Teil haben, am Wohl und Wehe des anderen.

    Mit Aydas Freund Riko gehe ich anschließend schweigend mit Wasser und Blume zum Steinkreis. Welcher Stein ruft mich? Ich lande bei dem Stein für Bewusstheit, in der es keine Gewalt gibt.

    Nach dem Abendessen ist mir nicht mehr nach Gesellschaft und so streife ich über das Land und vervollständige meine lückenhafte, geistige Karte. Noch viele Gespräche hat dieser Tag geschenkt, von denen zu erzählen, die Worte mir knapp werden. Nun lege ich mich nieder und hoffe in der Hitze schlafen zu können.

  • Tag 2 – Kapitalismuskritik der Kröten

    Ich packe zusammen, hänge noch das Handtuch auf, damit es trocknen kann. Lea und Maren sind schon lange weg. Dann schulter ich den Rucksack, klappe die Tür auf und hinter mir wieder zu. Sie wird unverschlossen bleiben. Noch beim Frühstück denke ich: „Die sind hier iwie anders druf wa.“.

    Als ich zahlen will passsiert es … Nicht. Stattdessen… Viel aufgeregtes Gerede und am Ende? Nichts. Man, nein Frau will weder für Kaffee noch fürs Schinkencroissant (eine nicht ganz so internationale Spezialität portugisischer Prägung) Geld haben. Sie lachen unnachgiebig und ich fühle mich beschenkt. Von Portugal.

    U-Bahn, Zug und schließlich der Bahnhof in Funcheira erscheinen wieder, wie das Gaukelspiel eines Magiers, ohne, dass ich viel dazu getan hätte. Quasi ständig finden sich hilfreiche Geister, die irgendetwas für mich organisieren, klären oder schlicht die nicht funktionierende Zugtür händisch „aufschließen“? Ja! Wahrlich!

    Ähnlich zuverlässig taucht Bernd auf. Wie vor sieben Jahren. Nur ist er jetzt ebenso wie ich sieben Jahre älter. Ich erinnere mich. Er sich dagegen nicht. Die Asymmetrie dieser „Liebesbeziehung“ wird mir zum ersten mal an diesem Tage deutlich. Für mich ist Tamera ein wichtiger Teil meiner Vergangenheit, für Tamera bin ich ein Gast unter vielen.

    Mit im Auto sitzt noch David, der erzählt er habe aufgrund einer Schlägerei am Gate in Brüssel seinen Flug verpasst und auf dem Ersatzflug zufällig neben einem portugisischen Politiker gesessen und ihn über „Landschaft als Wasserspeicher“ unterrichten können. Dieser 70jährige Mann kämpft zwar gegen den altersbedingten Muskelabbau angesichts der Aufgabe, die Landschaft zu pflegen, hat aber eine Sache, für die er sich begeistert und das wohl so sehr, dass sogar Entscheidungsträger davon beeindruckt sind.

    Angekommen, sagt Bernd ich solle meinen Rucksack ruhig am Guestcenter stehen lassen. Jetzt erstmal veganes Essen und wie lecker das ist. Man kann Grünkohl tatsächlich hauchdünn panieren und dann frittieren!

    Beim Essen leistet mir AJDA Gesellschaft, die das Kunststück vollbracht hat, aus den Initialien vier völlig gewöhnlicher, deutscher Namen eine arabisch klingende Kurzform zu kochen. Es sind schnell soviele Gespräche, dass ich dringend etwas schweigen muss und so ziehe ich mich an den See unter die Bäume zurück.

    Später beschließe ich einfach nackt in den See zu springen, naja zu krabbeln, aus Rücksicht auf meinen Fuß. Irgendwann im Laufe des Tages werde ich Martin kennen lernen, der mich darüber aufklärt, dass wir aus Rücksicht auf die Nachbarn nicht mehr nackt in Teiche springen. „Na … Wo ist Eure revolutionäre Energie geblieben?“, schmunzle ich in mich hinein. Doch der Reihe nach. Der See ist ein Erlebnis ständig warm und dann wieder kühl, durchwachsen mit Pflanzen, die mich bald streicheln, bald festhalten, wie die Fingerspitzen bzw. Schenkel einer Liebhaberin. Danach fühle ich mich angekommen.

    Während ich, wie der Schinken aus dem Croissant von heutemorgen an der Luft trockne fallen mir einige Dinge auf. Insekten, Massen davon, Vögel und… Richtig! Kröten. Sie alle scheinen sagen zu wollen: „Ihr seid auf dem Holzweg mit diesem Kapitalismus.“ Wo die Natur Ressource wird, statt heilig zu bleiben, haben wir schließlich Steingärten und Windschutzscheiben, auf denen auch nach langer Autofahrt kein Insekt mehr sterben muss, weil wir sie schon viel früher haben verhungern lassen. Hier dagegen ist das Netz der Nahrung noch deutlich vielschichtiger.

    Dann. Mein Fuß! Ich steh‘ drauf! Nackt! Ohne Aircast. Frei nach Hilde Humin könnte ich sagen: „Und ich setzte meinen Fuß auf den Boden und spürte… Er trug!“ Könnten wir, wenn wir unseren Körpern besser zuhörten, so viele Maßnamen uns ersparen? Wenn ich einfach spüren würde, wann der Fuß trägt und wann er Schmerz hervorbringt? Wie weit haben wir uns entfremdet, von Körper, Natur, dem Eros und der „heiligen Matrix“ in der Natur?

    Besagter Martin bringt eine weitere Lebensgeschichte von getrennten Eltern, die sich hier kennenlernten und nun für ein gemeinsames Kind Sorge tragen. Es ist eben nicht alles Gold was glenzt. So heilig der Eros auch sein mag, so unheilig ist bisweilen, was Erwachsene in einer fatalen Mischung aus Möchtegernidealismus und emotionaler Überforderung für ihre Sprösslinge daraus kochen.

    Zurück beim Gästehaus stelle ich fest, dass ich nicht nur meine Uhr am See, sondern auch meinen Rucksack sonst wo, habe liegen lassen. Wie Hans im Glück von schwerer Last und all zu kleinlicher Zeiteinteilung befreit, genehmige ich mir eine Tasche frisch gepressten verdünnten Orangensaftes und freue mich, aller Sorgen ledig zu sein. Diverse alte Bekannte und neue Unbekannte kommen, reden einige Sätze und ziehen dann weiter. Mitten in der Gemeinschaft beschleicht mich das unangenehme Gefühl nicht dazu zu gehören, in Mitten von Menschen, letztlich allein zu bleiben.

    Nach dem Abendessen ist dann „Kneipe“ und damit wieder eine Möglichkeit, alte und neue Gesichter zu sehen. Ich halte mich an einer Mandarinenschorle fest und begrüße Uri, den ich nur aus dem Film „Village of Lovers“ kenne. Zusammen mit der aus Palästina stammenden Ayda hat er noch Anfang diesen Jahres einen Dialog über Israel-Palästina gemacht, um Verständigung zu schaffen. Mit Trauer in der Stimme, der ich mich nicht entziehen kann, sagt er: „Ich glaube, wir haben mit all der Friedensarbeit nichts errheicht.“ Und weiter fragt er: „Woher soll in diesen Zeiten Hoffnung auf Frieden kommen?“ Ich bemerke, wie ich etwas kluges oder einfach noch schrecklicheres sage, nur um den Schmerz der unterernährten, verstümmelten und oder in dauerhafter Angst lebenden Kinder nicht spüren zu müssen. Schließlich umarmen wir uns für einen kostbaren Augenblick.

    Als ich mich trollen will, werde ich auf dem Weg nach Hause überfallen. Erst sind sie nur zu dritt, dann bald ein halbes Duzend. Kinder! Und sie löchern mich mit Fragen. Hier exemplarisch die wohl mutigste: „Aber, wenn Du kacken musst?“ Ich erkläre, dass das ganz gut geht, so ohne gucken. Er lässt nicht locker und setzt nach: „Aber wenn Du im Flugzeug kacken musst und es da wackelt?“ Aber auch ich habe fragen über die „Schule der Hoffnung“ „Ecole d’esperanza“, die diese Kinder hier besuchen…

    Schließlich kann ich mich der niedlichen Plagegeister entledigen und finde Mittels GPS, ganz ähnlich wie beim Geocaching, mein Bett. Uhr und Rucksack sind inzwischen auch wiedergefunden, der Blog fertig und ich darf schlafen gehen.